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XXI. cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes

Mehr als Tell und Heidi
Deutsch-Schweizerische Filmbeziehungen

15. - 24. November 2024

im Kommunalen Kino Metropolis (Kleine Theaterstr. 10, 20354 Hamburg)

Das cinefest 2024 steht unter der Schirmherrschaft Ihrer Exzellenz Livia Leu,
Botschafterin der Schweiz in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Zürcher Verlobung (1956/57, Helmut Käutner): Paul Hubschmid, Liselotte Pulver:
Quelle: DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

cinefest widmet sich in diesem Jahr den Filmbeziehungen von Deutschland und Schweiz, mit dem Fokus auf Produktionen der Deutsch-Schweiz. Auf den ersten Blick mögen die beiden Länder – sprachlich und geografisch gesehen – eng beieinander liegen, doch in der Betrachtung ihrer historischen Entwicklungen und Filmproduktionen zeigen sich neben vielen Beziehungen auch mannigfaltige Differenzen.
Wir eröffnen das Festival mit einem Film, in dem etliche Programmthemen angerissen werden: DER 10. MAI (CH 1957, Franz Schnyder) war 1940 der Tag, an dem die Deutsche Wehrmacht ihren Westfeldzug eröffnete. Auch die Schweizer hatten ANGST VOR DER GEWALT (so der BRD-Titel).
Bereits früh gab es im Stummfilm Coproduktionen über die Grenzen hinweg, so EVAS TÖCHTER (CS/DE/CH 1927/28) mit dem europaweit populären Duo Carl Lamac und Anny Ondra. Die »erotische Komödie« (Hervé Dumont), die ihre Schweizer Geldgeber ruinierte, wird von Marie-Luise Bolte am Klavier begleitet.
Eine Hauptrolle spielen – natürlich – immer wieder die Berge. Dabei schwankt die Kulisse zwischen malerischer Sehnsucht und erdrückender Bedrohung. Im Hochgebirgsdrama PETRONELLA (CH/DE 1927, Hanns Schwarz) entscheidet die in einer Gletscherspalte verschollene Kirchenglocke über das Schicksal eines Dorfes. Musikalisch begleitet wird der Stummfilm von André Desponds.
Die Einführung des Tonfilms zwang die Produzenten wegen der erhöhten Kosten verstärkt mit Co-Produktionen die verschiedenen deutschsprachigen Märkte zu bündeln und so ein größeres Absatzgebiet zu erschließen. Der als der »erste Schweizer Hochgebirgs-Tonfilm« beworbene DIE HERRGOTTSGRENADIERE (CH/DE 1932, Anton Kutter) schildert das Goldfieber vor einer atemberaubenden Bergkulisse.
Unter deutschen Skispringern spielt DER SPRINGER VON PONTRESINA (DE/CH 1934, Herbert Selpin), eine Produktion der Terra-Film, deren Schweizer Produzent Ralph Scotoni enge Beziehungen zu den Nazis pflegte.
In der Hamburger Produktion DIE ZÜRCHER VERLOBUNG (BRD 1956/57, Helmut Käutner) wirft Lilo Pulver aus dem Norden einen Blick auf die Schweizer Alpen und ihren Landsmann Paul Hubschmid.
FRÄULEIN HUSER (CH 1940) war das Regie-Debüt des in Deutschland und der Schweiz am Theater erfolgreichen Leonard Steckel. Bei seiner Premiere fiel der Film um eine Ehe-Affäre durch, gilt inzwischen aber als interessantes Beispiel für einen kritischen Blick auf die bürgerliche Moral der Zeit.
Ebenfalls 1940 adaptierte der geborene Wiener Leopold Lindtberg in der Satire DIE MISSBRAUCHTEN LIEBESBRIEFE eine Erzählung des Literaturklassikers Gottfried Keller. Der Regisseur, der als bedeutendster Filmschaffender der Schweiz der 1940er Jahre gilt, ist im Programm mehrmals vertreten. Bei seinem Debüt FÜSILIER WIPF (CH 1938), das den Ersten Weltkrieg als Schablone für die aktuelle Bedrohung nutzte, arbeitet er noch mit dem Schweizer Co-Regisseur Hermann Haller zusammen. Eine der Hauptrollen spielt der im Schweizer Film fast unvermeidliche »Heiri« Gretler wie auch in Lindtbergs Historienpanorama LANDAMMANN STAUFFACHER (CH 1941), das zurück ins Mittelalter geht, als die Eidgenossen drohten zwischen den Bayern und den Habsburgern zerdrückt zu werden. Der Film gilt als wichtiges Beispiel der »Geistigen Landesverteidigung« während des Zweiten Weltkriegs.
Bei Kriegsende hoffte Praesens-Produzent Lazar Wechsler mit international besetzten Filmen sogar Hollywood Konkurrenz machen zu können. Lindtbergs um Völkerverständigung bemühtes Dokudrama DIE LETZTE CHANCE (CH 1944/45) erhielt in Cannes einen Grand Prix und in den USA einen Golden Globe. Neben Therese Giese spielt auch Sigfrit Steiner mit, der zwischen den 1920er und 8oer Jahren als Charakterdarsteller im Schweizer Kino und Deutschen Fernsehen Dauergast war.
Einer seiner Regie-Filme ist STEIBRUCH (CH 1942). Neben den »Ur-Schweizer« Darstellern Gretler und Max Haufler hat hier die 16-jährige Gritli (Maria) Schell ihr Debüt.
Außer Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer lieferte Jeremias Gotthelf immer wieder beliebte Vorlagen für Literaturverfilmungen.
Franz Schnyders ULI DER KNECHT eröffnete 1954 eine Serie von Gotthelf-Filmen, die das Landleben im Emmental behandelten. An diesem Gloriafilm waren u.a. mit dem Autor Richard Schweizer, dem Kameramann Emil Berna und dem Komponisten Robert Blum einige Filmschaffende beteiligt, die die personelle Basis des Schweizer Films bildeten.
Ebenfalls eine Literaturverfilmung (Vorlage von Keller, 1877) ist URSULA (DDR/CH 1977/78), den Egon Günther u.a. mit Jutta Hoffmann nach einem Szenarium von Helga Schütz drehte. Der Film war in beiden Produktionsländern umstritten.
Unvermeidlich ist natürlich HEIDI. Wir zeigen die klassische Verfilmung von Luigi Comencini (CH 1952), die auch deutlich auf den deutschen Markt zielte. In der aktuellen Dokumentation HEIDIS ALPTRAUM (CH 2022) geht die Regisseurin Anita Hugi den Spuren der Autorin Johanna Spyri nach, die anders als ihre Romanheldin bisher kaum sichtbar war.
Statt des Rühmann-Films ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG (1958) zeigen wir von Ladislao Vajda dessen unbekannteren DIE SCHATTEN WERDEN LÄNGER (CH/BRD 1961) mit den BRD-Stars Barbara Rütting und Hansjörg Felmy.
Mehrere Filme des Programms zeigen, wie eine jüngere Generation von Filmschaffenden in den 1970er und 80er Jahren versuchte, die Positionen der Schweiz gegenüber Nazi-Deutschland kritisch aufzuarbeiten.  KONFRONTATION – DAS ATTENTAT VON DAVOS (CH 1974), Rolf Lyssys Dokudrama über das Attentat an dem in der Schweiz aktiven Nazi Wilhelm Gustloff »zeichnet dabei ein Sittenbild der Schweiz in den Vorkriegsjahren« (Martin Schlappner, NZZ, 1975). Der Dokumentarfilm ES IST KALT IN BRANDENBURG (HITLER TÖTEN) (CH 1978/80), über einen Schweizer, der 1938 ein Attentat auf Hitler plante, den das Team HMS (Villi Hermann, Niklaus Meienberg, Hans Stürm) mit Unterstützung u.a. von ZDF und DRS produzierte, erhielt einen Grimme-Preis, löste aber in der Schweiz Ärger aus.
Einen heute noch wohlbekannten Slogan griff Markus Imhoof 1980/81 in DAS BOOT IST VOLL (CH/BRD/AT) auf, der – u.a. mit Curt Bois in einer seiner letzten Rollen – die Behandlung von jüdischen Flüchtlingen durch die Schweizer Behörden kritisiert.
Ein wiederholt in der BRD aktiver Filmmacher war Thomas Koerfer. Für GLUT (CH/BRD 1983) arbeitete er mit einer hochkarätigen Besetzung (u.a. Armin Mueller-Stahl, Katharina Thalbach, Sigfrit Steiner und Krystyna Janda) zusammen.
An die Gegenwart heran rückt DAS KALTE PARADIES (CH 1985/86) des schweizerisch-tschechischen Filmers Bernard Šafařík, der das Asylproblem in den 1980er Jahren zeigt.
Einer der letzten DEFA-Filme war PESTALOZZIS BERG (CH/BRD/IT/DDR 1988/89) von Peter von Gunten, u.a. mit Gian Maria Volonté, Michael Gwisdek und Corinna Harfouch, über den Pädagogen, der seine neuen Erziehungs-Methoden zu realisieren versucht.
Helmut Förnbacher inszenierte einen »Film im Stil von Bonnie und Clyde«: SOMMERSPROSSEN (BRD/IT 1968) ist ein früher Junger Deutscher Film, der vom größten Kriminalfall Basels handelt.
Als Premiere zeigen wir die vom DFF neu restaurierte Fassung von Carl Froelichs HANS IN ALLEN GASSEN (DE 1930) mit Hans Albers als Sensationsreporter in der Schweiz.
Das Gespann Froelich & Albers begegnet uns auch im frühen Tonfilm DIE NACHT GEHÖRT UNS (DE 1929), der als Mehrsprachenversion den Multi-Sprachraum Schweiz eroberte.
Kurzfilme von Julius Pinschewer, Hans Richter und dem Flugpionier Walter Mittelholzer werden als Vorfilme gezeigt.

Alle Filme werden fachkundig eingeführt und viele Vorstellungen werden durch Gespräche mit Gästen begleitet.

cinefest Katalog 2024 Cover

Katalog zum cinefest 2024

Zum cinefest wird wieder ein umfangreicher Katalog mit Kritiken und Materialien zu den Filmen und Themen des Festivals erscheinen.

Integraler Bestandteil des Festivals ist der 37. Internationale Filmhistorische Kongress. Er tagt vom 21.-23. November im Gästehaus der Universität Hamburg.

Diskussionsforen zu aktuellen und archivalischen Themen begleiten das cinefest


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