Für die Teilnahme ist die vorherige Akkreditierung erforderlich.
Stundenplan
24.11.2023
- PANEL 3: REGIE
- 09:30 - 10:20
- Ranküne und Reue – Wilhelm Thieles deutsch-französische Tonfilmkomödie DER BALL und MADAME HAT AUSGANG
- Thieles parallel in französischer und deutscher Sprache gedrehten musikalischen Komödien aus dem Jahre 1931 legen Zeugnis ab von der enormen stilistischen Vielfalt seines filmischen Schaffens. Die beiden in den Tobis-Studios in Épinay-sur-Seine – der künstlerischen Wirkungsstätte des großen Vorbilds René Clair – für die Firma Vandal & Delac gedrehten deutsch-französischen Koproduktionen verwenden sehr unterschiedliche Vorlagen: DER BALL basiert auf einer literarisch anspruchsvollen Novelle von Irène Némirovsky, in der ein minderjähriges Mädchen ihre dünkelhaft neureiche Mutter demütigt, indem sie deren Pläne für ein glanzvolles Fest sabotiert. MADAME HAT AUSGANG ist die Adaptation einer Boulevardkomödie der Bühnenroutiniers Paul Armont und Marcel Gerbidon, in deren Mittelpunkt eine verwöhnte, vernachlässigte Industriellengattin steht, die ihren untreuen Ehemann eine Weile mit einem schlichten Buchbinder betrügt, dann aber reumütig in den Ehehafen zurückkehrt. Thiele variiert hier die von ihm selber, im Verbund mit Produzent Erich Pommer und Komponist Werner Richard Heymann, bei der Ufa entwickelten Gattungskonventionen der »Tonfilmoperette« – u. a. in Bezug auf die Handlungsführung und die Handhabung filmischer und musikdramaturgischer Mittel. Beide Filme sind als Vehikel für weibliche Stars angelegt und wenden sich an ein vornehmlich weibliches Publikum. Außerdem werfen die Filme die Frage auf, welche Sprachversion als »Original« und welche als »Derivat« bezeichnet werden kann, bzw. ob und wie die Filme der jeweiligen nationalen Filmkultur zuzurechnen sind.
-
Sprecher:in
Christian Rogowski
- 10:30 - 11:20
- Temperament und Atmosphäre. Der Musikfilm-Regisseur Hanns Schwarz
- Neben Wilhelm Thiele kann der ebenfalls aus Wien stammende Hanns Schwarz (1888-1945) als der zweite Regisseur gelten, dessen Handschrift die Musikfilmproduktion der Ufa in den ersten Tonfilmjahren maßgeblich geprägt hat. Schon zur Stummfilmzeit bedienen sich Regiearbeiten wie NANON (1924), DIE CSARDASFÜRSTIN (1927) oder UNGARISCHE RHAPSODIE (1928) aus dem reichen Fundus der zeitgenössischen Operetten- und Revuekultur, 1929 ist er dann gemeinsam mit Werner Richard Heymann für die künstlerische Umsetzung des ersten Ufa-Tonspielfilms MELODIE DES HERZENS verantwortlich. In den Jahren 1930/31 lässt Schwarz in dichter Folge drei publikumswirksame Ufa-Tonfilmoperetten folgen: IHRE HOHEIT BEFIEHLT und BOMBEN AUF MONTE CARLO wiederum in Zusammenarbeit mit Heymann, EINBRECHER unter der musikalischen Leitung von Friedrich Hollaender. In LIEBLING DER GÖTTER (1930) inszeniert er Emil Jannings als Tenor, der um die Fortsetzung seiner Karriere ringt. Unmittelbar vor seiner Emigration über Österreich in die USA dreht Schwarz 1932 für kleinere Produktionsfirmen noch die musikalischen Komödien DAS MÄDEL VOM MONTPARNASSE und ZIGEUNER DER NACHT. Mein Beitrag versucht am Beispiel seiner Musikfilme eine erste Annäherung an die Arbeitsweise und den Inszenierungsstil des Regisseurs.
-
Sprecher:in
Michael Wedel
- PANEL 4: GESANG
- 11:30 - 12:30
- Imperio, Estrellita und Rosita: Kastagnetten-Kino aus Deutschland Die Interessen der deutschen Filmindustrie und deren Sog- und Schubwirkung auf ausländische Künstler
- In der nationalsozialistischen Filmindustrie spielten ausländische Darstellerinnen eine vom Reichspropagandaminister Goebbels geförderte Rolle. Dies gilt auch und gerade für den Musikfilm. Marika Rökk und Zarah Leander gehören zu den bekanntesten. Während sie ihre Karrieren vorantrieben, kamen andere ausländische Künstlerinnen in Babelsberg neu hinzu, wurden zum Teil auch angeworben wie die Spanierin Imperio Argentina. Ihre Karriere im deutschen Film wird im Rahmen des Vortrags nachgezeichnet. Biografien anderer ausländischer Interpreten, die in Deutschland beschäftigt wurden, werden ebenfalls vorgestellt und ihr Werdegang in Deutschland kurz umrissen.
-
Sprecher:in
Daniel Otto, Karl Griep
- 12:30 - 13:30
- Mittagspause
- 13:30 - 14:20
- Tenöre als Hauptdarsteller Rollenmuster und Topoi in Filmen mit Richard Tauber, Joseph Schmidt, Jan Kiepura
- Schon seit den frühesten Anfängen des deutschen Tonfilms wurden mit Vorliebe Sängerinnen und Sänger als Hauptdarsteller eingesetzt, und zwar besonders gerne solche, die auch auf den großen Opernbühnen Erfolge feierten. Gut dreißig Jahre lang, zwischen 1929 und etwa 1959 entstanden insbesondere im deutschen Sprachraum zahlreiche sogenannte Tenorfilme, die ganz darauf ausgerichtet waren, dass ein Opernstar seinen Gesang dem Filmpublikum präsentierte. Meist sang er dabei allerdings leicht zugängliche Opern- und Operettenhits, oft sogar Schlager. Auffällig ist, dass fast nur Tenöre, aber kaum etwa Soprane, für den Tonfilm herangezogen wurden. Da drei der wichtigsten Protagonisten – Richard Tauber, Joseph Schmidt und Jan Kiepura – in der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihrer jüdischen Abstammung aus Deutschland vertrieben wurden, kam das Subgenre vorerst zum Erliegen, erlebte dann aber in den 1950er Jahren mit Rudolf Schock ein unerwartetes Comeback. War schon die erste Phase des Tenorfilms von vorgeprägten Rollenmustern und Topoi geprägt gewesen (zum Beispiel das Bild des ›Naturtalents‹, das sich in der großen Welt der Oper nicht zurechtfindet), knüpften die Filme der zweiten Phase in vielerlei Hinsicht an diese Stereotype an.
-
Sprecher:in
Jonathan Schilling
- 14:30 - 15:20
- Max Reichmanns Richard Tauber-Filme
- Die Tauber-Filme von Max Reichmann, zu denen ICH GLAUB' NIE MEHR AN EINE FRAU, DAS LOCKENDE ZIEL, DAS LAND DES LÄCHELNS (alle 1930) und DIE GROSSE ATTRAKTION (1931) gehören, waren keine herkömmlichen Filmkomödien oder Musicals, sondern dramatische Sängerfilme, in denen der berühmte Tenor Richard Tauber im Mittelpunkt stand. In einer Zeit finanzieller Instabilität im Filmkonzern Emelka sorgten diese Filme für Publikumserfolg und volle Kassen beim Bayerischen Filmverleih. Dieser Beitrag untersucht Taubers biografische Komplexität als jemanden, der zwischen Oper, Operette und populärer Musik pendelt und widersprüchlichen Zugehörigkeiten zum jüdischen Familienerbe, zum Katholizismus und zur nationalen Vorliebe für Berlin und Wien hatte. Diese bieten eine einzigartige Perspektive, um die Konstruktion alternativer, gleichzeitig existierender Vorstellungen von Heimat in Reichmanns Filmen zu erforschen. Der Beitrag untersucht die gesamte Reihe der Tauber-Filme, einschließlich des 2023 restaurierten ersten Films in der Reihe, und argumentiert, dass sie gemeinsam gelesen und analysiert werden sollten, da sie eine Gedankenentwicklung rund um das Thema Heimat darstellen. Durch die Untersuchung der Schnittstellen von jüdischer Akkulturation und national-völkischen Elementen in Max Reichmanns Tauber-Filmen behauptet der Beitrag, dass die Filme einen Platz in der Heimat für ihren halb-jüdischen österreichischen Star Richard Tauber zu schaffen suchten, der sich hier als Nationalfigur und Volkskammersänger besetzt sah.
-
Sprecher:in
Andreas-Benjamin Seyfert
Datum
- 24. Nov. 2023
- Abgelaufene Events
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
-
Andreas-Benjamin Seyfert
Doktorand an der UCLA und entwickelt eine Methodologie zur Einbeziehung verschollener Filme in die Geschichtsschreibung. Er hat mehrere Veröffentlichungen zur Schnittstelle von deutschem Film, Kunst und Literatur verfasst. Seine Publikationen umfassen unter anderem einen bald erscheinenden Artikel im Filmblatt des CineGraph Babelsberg, sowie den Sammelband »Enchanted by Cinema: Wilhelm Thiele between Vienna, Berlin, and Hollywood« (mit J.-C. Horak), der 2024 bei Berghahn Books er-scheinen wird. Weitere Publikationen beinhalten »Goethe lebt! Der Dichter als Filmgestalt« im Sam-melband »Goethe als Literatur-Figur« (Wallstein Verlag, 2016), »Banning Jewishness: Stefan Zweig, Robert Siodmak, and the Nazis« im Sammelband »Rethinking Jewishness in Weimar Cine-ma« (Berghahn Books, 2021), und den noch nicht erschienen Beitrag »Cinema of the Underprivileged: Heinrich Zille’s Influence in Weimar Film« in einem Sammelband für Bloomsbury Academic.
-
Christian RogowskiG. Armour Craig Professor, Amherst College, Massachusetts
G. Armour Craig Professor in Language and Literature in the Department of German am Amherst Col-lege in Massachusetts (USA). Veröffentlichungen zum Drama, zur Oper, zur deutschsprachigen Litera-tur und Geistesgeschichte und zum Film, insbesondere zum Film der Weimarer Republik. Herausgeber von »The Many Faces of Weimar Cinema« und Autor einer Monographie zu Wim Wenders’ WINGS OF DESIRE.
-
Daniel OttoFilmhistoriker und Anime Expert, Berlin
Daniel Otto, geb. 1966, Studium der Wirtschaftswissenschaft in Bochum, Diplomarbeit über »Filmwirtschaft und schwerindustrielle Unternehmensstrategie in der Weimarer Republik«. Stationen des beruflichen Werdegangs u.a. Leiter des Spielfilmeinkaufs bei KirchMedia, Aufbau des T-Online VoD-Portals, Spielfilmeinkauf bei Premiere-Fernsehen und den Sony-Sendern ANIMAX und AXN, Leiter der Lizenzabteilung von AV-Visionen, Head of Business Development EMEA bei Crunchyroll. Vorträge und Veröffentlichungen u.a. zu Hugo Stinnes und Film in den 1920er Jahren, Gleichschaltung der deutschen Filmindustrie im »Dritten Reich«, Mehrsprachenproduktionen unter Hitler und Franco, der Produzentenfamilie Salkind und zu deutsch-japanischen Koproduktionen in Anime und Realfilm der 1970er und 1980er Jahre. Lebt in Berlin.
-
Jonathan SchillingGeschichts- und Musikwissenschaftler, Münster
geb. 1993 in Tübingen, studierte Geschichte und Musikwissenschaft in Tübingen und Marburg und schrieb seine Doktorarbeit an der Universität Münster. Er war Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung. Seinen Forschungsschwerpunkt bildet die deutsche Kultur- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere die Filmgeschichte bis 1963, die Bürgertumsforschung und die Ge-schichte der protestantischen Frömmigkeit. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen drei Aufsätze über das Filmschaffen Ruth Leuweriks, darunter: »Mehr als Heimatfilm. Ruth Leuwerik, Die Trapp-Familie und der Publikumsgeschmack der Adenauer-Zeit« in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschich-te 71 (2023) 1, S. 75–109.
-
Karl GriepFilmhistoriker, Berlin
Studium der Soziologie und Linguistik. Leitung eines Film- und Videostudios der Universität Bielefeld. Ab 1980 Mitarbeiter des Bundesarchivs in Koblenz, in verschiedenen Funktionen in der Abteilung Filmarchiv, u.a. Leiter des Referates für Dokumentarfilme und Wochenschauen. 1990 Verlegung des Dienstsitzes von Koblenz nach Berlin. 1993–2018 Leiter der Abteilung Filmarchiv des Bundesarchivs. Während seiner Amtszeit etablierte sich die Kooperation von Bundesarchiv und CineGraph, seit 2004 mit der gemeinsamen Veranstaltung von cinefest.
-
Michael WedelFilm- und Medienwissenschaftler, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
Dr. phil., Film- und Medienwissenschaftler, seit 2009 Professor für Mediengeschichte an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der FU Berlin sowie der Film- und Fernsehwissenschaft an der Universität Amsterdam. 2005-2009 Assistenz-Professor für Medienwissenschaft an der Universität Amsterdam, 2011-2014 Wissenschaftlicher Leiter des Filmmuseums Potsdam. 2019 Gastprofessor am German Department der Vanderbilt University. Seit 1999 Redakteur der Zeitschrift »Filmblatt«. Veröffentlichungen als Autor u.a. »Der deutsche Musikfilm. Archäologie eines Genres 1914-1945« (2007), »Filmgeschichte als Krisengeschichte. Schnitte und Spuren durch den deutschen Film« (2011), »Ort und Zeit. Filmische Heterotopien von Hochbaum bis Tykwer« (2020).