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Stundenplan
20.11.2022
- PANEL 5: KINEMATOGRAFISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS
- 10:00 - 10:50
- In their own words. Zum Selbstverständnis des Berufsfeld Kamera im Spiegel der Texte exilierter Kameramänner
- Günther Krampf schreibt im englischen Exil in der World Film News im Februar 1937 einen Artikel betitelt »the curse of dialogue«, indem er an die deutsche Filmschule (für ihn 1919 – 1925) erinnert: »The cameraman in Germany was the king of the studio. He worked closely with the director on the preparation for a film and his Job was to convey the true meaning of the story through the camera and the camera only« (Krampf, S.4). Das Selbstverständnis der Weimarer Kameramänner, ihre Experimentierfreude und Umtriebigkeit zeigt sich auch in den Texten, die sie teilweise in Trade Journals zu ihrem Fach veröffentlichten. Der Beitrag wird die Texte von Karl Freund, Curt Courant, Günther Krampf und Franz Planer mit deren Beschreibungen des Berufsfelds vorstellen. In den Artikeln werden u.a. Rückblenden auf abgeschlossene erfolgreiche Filme unternommen, die wiederum in einem Kontext der Karrieren der Kameraautoren der 1930er, 1940er, sowie der Nachkriegsjahre geschrieben wurden. Diese Zusammenhänge sollen mit den Berufsbeschreibungen der Artikel analysiert werden. Curt Courant spielt dabei eine aufschlussreiche Rolle, da er im amerikanischen Exil die juristische Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft der Kameramänner aufnahm, die seinen Beitritt über Jahre verweigerte und seine Karriere damit beendete. Auch diese juristischen Texte geben Aufschluss auf ein Selbstverständnis des Berufs: Kameramann.
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Sprecher:in
Imme Klages
- 11:10 - 12:00
- Virtuose Performances und performte Virtuosität – Mythenbildung und Selbstmarketing durch innovative Kameraarbeit von Karl Freund bis Emmanuel Lubezki
- Als exemplarischer Fall für den Prestigegewinn, der mit der Realisierung langer und mobiler Filmaufnahmen verknüpft ist, gilt Der letzte Mann (1924) von Regisseur F. W. Murnau und Kameramann Karl Freund. Die Kamerafahrten wurden von Publikum und Filmbetrieb gleichermaßen als Neuheit wahrgenommen, und die Premiere der für den US-amerikanischen Markt gedrehten Version des Films in New York führte dazu, dass Hollywood auf Murnau und Freund aufmerksam wurde, so dass beide ihren Arbeitsschwerpunkt gegen Ende der 1920er-Jahre in die USA verlagern konnten. Die Mythenbildung um den Begriff der entfesselten Kamera und der Diskurs um Freund und Murnau können als Prototyp für andere filmhistorische Konstellationen bezeichnet werden, in denen Kameraarbeit als besonders virtuose Leistung von Regisseuren und Kameramännern beschrieben wurde, um Spielfilme zu vermarkten und Filmkarrieren zu befeuern. Dazu zählen die (oft nur scheinbar) tiefenscharfen Einstellungen in Citizen Kane (1941), die Kameramann Gregg Toland mit Regisseur Orson Welles hergestellt hat sowie die extrem langen (und ebenfalls durch verdeckte Montage entstandenen) Aufnahmen von Kameramann Emmanuel Lubezki in Filmen der Regisseure Alfonso Cuarón (Gravity 2013) und Alejandro Iñárritu (Birdman 2014, The Revenant 2015). Den Diskursen zu diesen innovativen Kameraarbeiten zu folgen bedeutet auch, der Faszination nachzuspüren, die virtuose Kameraarbeit immer wieder neu auf Filmwissenschaft, Filmpublizistik, Journalismus und cinephile Kreise gleichermaßen auszuüben scheint.
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Sprecher:in
Martin Jehle
- 12:00 - 13:00
- Mittagspause
- PANEL 6: KAMERAÄSTHETIK IM STUMMFILM
- 13:00 - 13:50
- Emil Schünemann: Eine grenzüberschreitende Karriere
- Emil Schünemann, 1882 in Berlin geboren, gehört zu den wichtigsten deutschen Kameramännern von der Stummfilmzeit bis in die frühen 50er Jahre. Als gelernter Fotograf gelang ihm der Übergang von der Fotografie zum bewegten Bild. Er leistete Beiträge zu verschiedenen Bereichen des Filmschaffens; dazu gehörten zum Beispiel das Erkennen und Beheben technischer Probleme bei der Entwicklung des belichteten Films. Er trug zu der Gestaltung eines Filmstudios für Vitascope im Jahr 1912 bei, und Anfang der 1920er Jahre gestaltete er eine Reithalle zu einem Filmatelier für die Obotrit Film (Offak) um. Auch als Entwickler von Tricktechniken machte er sich einen Namen, wie zum Beispiel bei der Titanic-Verfilmung In Nacht und Eis (1912, Mime Misu). Seine Filme umfassten Spiel- und Dokumentarfilme, und er hat mit den bedeutendsten deutschen Regisseuren zusammengearbeitet, u.a. mit Fritz Lang, Joe May, und Reinhold Schünzel. Schwerpunkt dieses Vortrags sind seine internationalen Anschlüsse. 1924 drehte er in Russland den Film Aelita (Protazanov); und 1928 befand er sich in Indien wo er für Himansu Rai und Ufa Das Grabmal einer grossen Liebe (1928, Franz Osten) und Schicksalswürfel (1929, Franz Osten) fotografierte. In Zusammenarbeit mit Rai drehte er den ersten indischen zweisprachigen Tonfilm, Karma (Freer-Hunt, 1932). Seine Arbeit an Schicksalswürfel wurde von Satyajit Ray hoch gelobt, und es gab Gerüchte, dass Rai ihn für sein neues Studio Bombay Talkies verpflichten wollte. Dazu kam es zwar nicht, aber Schünemanns Einfluss auf die Arbeit von Josef Wirsching, ist in Klassikern wie Mahal (1948, Kamal Amrohi) zu erkennen.
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Sprecher:in
Eleanor Halsall
- 14:00 - 14:50
- Collageästhetik im deutschen Film der 1920er Jahre
- Zum Abschluss seiner Monografie über den Trickfilm (1927) skizziert Guido Seeber seine Vision einer »Tricktechnik von morgen«. Er schlägt vor, durch das Nebeneinandermontieren von Bildfragmenten in einer Einstellung abstrakte Ideen zu visualisieren. Tatsächlich dienten Mehrfachbelichtungen und Bildteilungen bereits im frühsten Film als Mittel, mentale oder verbale Prozesse wie Erinnerungen, Berichte oder Visionen zu illustrieren. Teils unter dem Eindruck avantgardistischer Collagekunst fanden in den 1920er Jahren dann zunehmend komplexe Mehrfachbilder, beispielsweise in Der verlorene Schatten (1920/21, Rochus Gliese), Schatten (1923, Arthur Robison), Helena (1923/24, Manfred Noa), Der letzte Mann (1924, F. W. Murnau), oder Metropolis (1925/26, Fritz Lang ), weite Verbreitung. Die Collage-Ästhetik solcher Einstellungen unterstreicht die Konstruiertheit des filmischen Bildes und stellt die Kreativität und Virtuosität von Kameratechnik in den Vordergrund. Zuschauer*innen sind angehalten, konzeptionelle und affektive Verbindungen zwischen nebeneinandergestellten und übereinandergelegten Bildern herzustellen. Ausgehend vom Werk Guido Seebers und unter Berücksichtigung transnationaler Wechselbeziehungen (etwa bei Jean Epstein, Germaine Dulac und Dziga Vertov) untersucht dieser Beitrag expressive Split-Screen- und Überblendungseffekte im deutschen Film der 1920er Jahre. Dieses zentrale, wenn auch häufig vernachlässigte Ausdrucksmittel der Kamerakunst gibt zudem Anlass zu theoretischen Betrachtungen über die paradoxe Beziehung zwischen Bild und Unsichtbarem, Abstraktion und Absorption im späten Stummfilm.
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Sprecher:in
Katharina Loew
- 15:00 - 15:45
- Abschlussdiskussion
Datum
- 20. Nov. 2022
- Abgelaufene Events
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
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Eleanor HalsallFilmwissenschaftlerin Universität Southampton
Eleanor Halsall arbeitet als Filmwissenschaftlerin an der Universität von Southampton über die Geschichte deutscher Filmateliers an dem vom European Research Council geförderten Projekt STUDIOTEC: Film Studios: Infrastructure, Culture, Innovation in Britain, France, Germany and Italy, 1930–60.
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Imme Klageswissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz
Dr. Imme Klages ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Studium der Film- und Fernsehwissenschaft und Neueren Geschichte in Bochum und Lissabon; Dissertation zum Thema »I do not get rid of the ghosts. Zur Exilerfahrung in den Filmen Fred Zinnemanns: THE SEARCH (1948), THE NUN’S STORY (1959) und JULIA (1977)« (Marburg: Schüren, 2018); Forschungsschwerpunkte: Die Kameramänner und Drehbuchautorinnen des deutschen Filmexils 1933–1945 (DFG-Forschungsprojekt), Remigration und Nachkriegskino in Deutschland, Digital Humanities und Filmwissenschaft.
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Katharina LoewFilmwissenschaftlerin, University of Massachusetts, Boston
Katharina Loew studierte Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Psychologie an der Ludwig-Maximilians Universität Mün-chen und promovierte in Filmwissenschaft und Germanistik an der University of Chicago. Ab 2011 war sie Assistenzprofessorin für Germanistik und Filmwissenschaft an der University of Oregon. Seit 2015 lehrt sie an der University of Massachusetts Boston. Ihre Monografie Special Effects and German Silent Film erschien 2021 bei Amsterdam University Press. Sie ist Mitherausgeberin der Reihe Cinema and Technology bei Amsterdam Uni-versity Press.
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Martin JehleFilmmacher und Dozent für Filmtheorie, Filmpraxis und Filmästhetik, Marburg
Dr. Martin Jehle ist Filmmacher und Dozent für Filmtheorie, Filmpraxis und Filmästhetik. Als Regisseur, Autor und Kameramann arbeitet er für seine Produktionsfirma Anachrom. Seine Kurzfilme wurden auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt und ausgezeichnet. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit an der Stiftung Universität Hildesheim ist er seit 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg und organisiert den Marburger Kamerapreis und die Bild-Kunst Kameragespräche.