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Stundenplan
22.11.2024
- KURZFILME IM EXIL
- 9:30 - 10:20
- Hans Richter im Schweizer Exil (1937-1941): Produktion, Reflexion und Vermittlung von Filmkultur
- Das filmische Schaffen des deutschen Avantgardisten Hans Richter in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ist sehr gut untersucht. Auch die Filme, die Richter nach seiner Emigration in die USA 1941 in New York realisiert hat, sind vielfach analysiert worden. Bislang wenig geforscht und publiziert wurde hingegen zu Richters Rolle für den Schweizer Film während seiner Zeit als Emigrant in Zürich und Basel (1937-1941) – eine Rolle, die als Scharnier gesehen werden kann im Austausch zwischen deutscher bzw. europäischer und US-amerikanischer Filmkultur während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Mein Vortrag wirft ein Licht auf die Rolle Richters für den Schweizer Film. Dabei rückt das Feld des – im Vergleich zum langen Spielfilm oft vernachlässigten – dokumentarischen Films ins Zentrum, der zu dieser Zeit in aller Regel Kurz- und Auftragsfilm war. Richter realisierte sieben kurze Auftragsfilme im Schweizer Exil. Neben dem praktischen Filmschaffen wirkte er als Mentor der aufkommenden Schweizer Dokumentarfilmszene, hielt öffentliche Vorträge zur politischen und gesellschaftlichen Rolle des Films, publizierte in Tageszeitungen und Fachzeitschriften, präsentierte mit dem „Filmessay“ eine neue Form des Dokumentarfilms und verfasste das Buch Der Kampf um den Film. Für einen gesellschaftlich verantwortlichen Film (posthum 1976 veröffentlicht), das einen materialistischen Ansatz zu Filmtheorie und -geschichte vorschlägt. Der Beitrag widerlegt die bisherige Forschung, die Richters Emigration in die USA als einen „bedeutenden Bruch in seiner Karriere“ gesehen hat (Alter 2007; Asper 1998), und macht stattdessen die Kontinuität und Produktivität von Richters Schaffen während seines Exils in der Schweiz deutlich – trotz der (v.a. behördlichen) Schwierigkeiten, die damit verbunden waren. Der Vortrag bettet Richters Wirken aber auch in einen größeren Kontext von Exil und deutsch-schweizerischer Austauschbeziehungen im dokumentarischen Film während des Zweiten Weltkriegs ein.
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Sprecher:in
Yvonne Zimmermann
- 10:30 - 11:20
- Der Werbefilmpionier Julius Pinschewer zwischen Berlin und Bern: Emigration und Neubeginn
- Julius Pinschewer, der wichtigste deutsche Werbefilmpionier, hatte als jüdischer Filmproduzent nach der Ernennung von Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler keine Möglichkeit, seine Tätigkeit in Berlin fortzuführen. Er verließ Deutschland im Mai 1933 und fing in der Schweiz noch einmal ganz von vorne an: Er eröffnete 1934 in Bern ein Trickfilmatelier für Werbefilme und füllte damit eine Lücke in der Schweizer Filmproduktion, was die maßgebliche Grundlage für die Erteilung der Gewerbeerlaubnis war. Der Vertrieb seiner Werbefilme war ihm nicht gestattet, weil er bestehenden Schweizer Firmen keine Konkurrenz machen durfte. Mit Kontakten in die USA suchte Julius Pinschewer diese Beschränkungen zu überwinden. Dies gelang ihm aber erst nach Kriegsende mit der Produktion von Technicolor-Trickfilmen für seine neu gegründete britische Firma Pinschewer-Film Ltd. in London. Parallel zu seinem Schweizer Neuanfang wurden Pinschewers Berliner Firmen abgewickelt, umgewandelt bzw. „arisiert“. Eine Reihe seiner deutschen Filme wurde 1935 erneut der Zensur vorgelegt. Geschäftsbeziehungen nach Deutschland bestanden weiterhin und bemerkenswert lange, etwa zu seinem Haus- und Immobilienbesitz, im filmtechnischen Bereich und bei Präsentationen seiner Gasparcolor-Farbfilme. Unser gemeinsamer Beitrag skizziert die deutsch-schweizerische Parallelgeschichte der Emigration von Julius Pinschewer: Abwicklung bzw. „Arisierung“ in Deutschland, Neuanfang in der Schweiz – mit bisher unbekannten bzw. nicht beachteten Werbefilmen und Dokumenten.
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Sprecher:in
Martin Loiperdinger, Ralf Forster
- 11:30 - 12:30
- Vorstellung Cinémathèque Suisse
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Sprecher:in
Frédéric Maire
- 12:30 - 13:30
- Mittagspause
- SPRACHE
- 13:30 - 14:20
- Die Rezeption von DIE NACHT GEHÖRT UNS / LA NUIT EST À NOUS (Carl Froelich/Henry Roussel, D 1929) im Mehrsprachenraum der Schweiz
- DIE NACHT GEHÖRT UNS, einer der ersten «Sprechfilme» deutscher Produktion, erschien Ende 1929 in zwei Sprachversionen: einer deutschen und einer französischen (letztere als LA NUIT EST À NOUS). Schnell war klar, dass die neuartige ästhetische Gestaltung des Films für die Weiterentwicklung des Tonfilms bestimmend sein würde. Filmkritiker:innen lobten den sprachlichen Realismus, das weitestgehende Fehlen von Begleitmusik und die Experimente mit Geräuschen. Zugleich ermöglichten die beiden Sprachversionen die Vermarktung des Films über den deutschsprachigen Raum hinaus – u.a. auch im französischsprachigen Teil der Schweiz. Der Vortrag setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Im ersten Teil wird die grundsätzliche filmhistorische Bedeutung von DIE NACHT GEHÖRT UNS innerhalb des Medienwandels vom Stumm- zum Tonfilm herausgearbeitet. Der zweite Teil zeichnet die Rezeption der beiden Sprachversionen innerhalb des multilingualen Kontextes der Schweiz nach. Anhand der Fallstudie wird deutlich, dass die Produktion von Mehrsprachenversionen im Übergang zum Tonfilm gerade multilinguale Staaten wie die Schweiz betraf und dass frühe deutsche Tonfilme wesentlichen Anteil am Medienwandel in der Schweiz hatten.
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Sprecher:in
Daniel Wiegand, Jessica Berry
- 14:30 - 15:20
- Dialekt oder Hochdeutsch? Sprachliche Koexistenz im Schweizer Film
- Es gibt keine allgemeine Regel, wann im Schweizer Film Dialekt gesprochen wird und wann die Schriftsprache zum Zug kommt. Es gibt Spielfilme in beiden Sprachen und genauso verhält es sich bei den Dokumentarfilmen. Je nach Epoche genoss jeweils das eine oder das andere Idiom Vorrang. Im 2. Weltkrieg diente der Dialekt zur Abgrenzung gegen den übermächtigen Nachbarn im Norden. Die Spielfilme im Dienst der Geistigen Landesverteidigung wurden alle in Mundart gedreht, und in den wenigen Schulszenen der Gottfried Keller-Verfilmung DIE MISSBRAUCHTEN LIEBESBRIEFE sprachen die Kinder ein Schriftdeutsch, das an helvetischen Kehllauten kaum zu überbieten ist. In den HEIDI-Verfilmungen der 50er Jahre war in möglichst vielen Szenen Schriftdeutsch Umgangssprache, sei es in Frankfurt, sei es beim Besuch der «deutschen Herrschaften» in der Schweiz. Parallel dazu erlebte der Dialekt ein Comeback mit Schaagi Streulis Kleinbürger-Filmen und den Gotthelf-Verfilmungen von Franz Schnyder. Diese Filme beruhten auf Radio-Hörspielen und waren ausgesprochen wortlastig. Ihre Geschwätzigkeit führte dazu, dass Dialekt zunehmend in Verruf geriet und ab 1964, im sogenannten «Neuen Schweizer Film», für mehrere Jahre gänzlich gemieden wurde. Im Zeichen der Postmoderne und der Globalisierung hat die Frage «Dialekt oder Hochdeutsch?» an Brisanz eingebüsst. Und als neue Variante werden Mundartfilme in der Schweiz seit ein paar Jahren immer häufiger mit deutschen und englischen Untertiteln im Kino gezeigt.
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Sprecher:in
Felix Aeppli
Datum
- 22. Nov. 2024
- Abgelaufene Events
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
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Daniel WiegandAssistenzprofessor für Filmwissenschaft, Zürich
Daniel Wiegand ist Assistenzprofessor für Filmwissenschaft an der Universität Zürich
und forscht zum frühen Tonfilm um 1930. -
Felix AeppliHistoriker, Zürich
Ausgebildeter Historiker, mit Englisch und Wirtschaftsgeschichte in den Nebenfächern. Promotion zum Dr. phil. an der Universität Zürich mit einer Arbeit über das Städtebild Thomas Jeffersons. Verfasser der kommentierten Materialsammlung “Der Schweizer Film 1929-1964. Die Schweiz als Ritual” (Zürich, 1981) und der monumentalen Diskographie “The Rolling Stones, 1962-1995: The Ultimate Guide” (London, 1996), nachgeführte Ausgabe “The Rolling Stones, 1962-2024: The Ultimate Guide”, online seit 2008). Bis zu seiner Pensionierung (2011/2014) als Hauptlehrer mit halbem Pensum für «Politische Bildung und Zeitdokumentation» an der Berufsschule für Erwachsenenbildung Zürich tätig. Von 1990-1996 regelmässiger Lehrbeauftragter am filmwissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich. Mitarbeiter des Historischen Lexikons der Schweiz und der NZZ am Sonntag (2002-2015)
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Frédéric MaireDirektor der Cinémathèque suisse, Lausanne
Frédéric Maire, geboren 1961, ist seit 2009 Direktor der Cinémathèque suisse (Schweizerisches Nationales Filmarchiv) in Lausanne und war von 2017 bis 2023 Präsident der FIAF (International Federation of Film Archive). Er studierte Wirtschaft und Literatur an der Universität Neuenburg, bevor er in den späten 1970er Jahren begann, im Bereich des Films zu arbeiten. Er führte Regie bei mehreren kurzen und mittellangen Spielfilmen sowie bei Dokumentarfilmen für das Schweizer Fernsehen und arbeitete als Journalist für mehrere Schweizer Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendungen, vor allem in den Bereichen Film und Kultur. Von 1988 bis 1992 unterrichtete er Einführungskurse in Film an der audiovisuellen Abteilung (DAVI) der Ecole cantonale d’Art de Lausanne (ECAL). Er gehörte 1992 zu den vier Gründern des Kinderfilmclubs The Magic Lantern (www.magic-lantern.org), den er bis 2005 mit leitete. Nachdem er seit 1986 für das Internationale Filmfestival Locarno als Pressesprecher und Programmgestalter gearbeitet hatte, wurde er 2005 zum künstlerischen Leiter des Festivals ernannt, das er bis 2009 leitete.
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Jessica BerryFilmwissenschaftlerin, Zürich
Jessica Berry hat am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich ihre
Dissertation zum Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm in der Schweiz geschrieben. -
Martin LoiperdingerMedienwissenschaftler
Martin Loiperdinger, Dr. phil., war Professor für Medienwissenschaft an der Universität Trier, mit Forschungsprojekten im Schwerpunkt Screen1900 zu Projektionskunst und frühem Kino, zuletzt 2018-2022 zum Filmstar Asta Nielsen. Mitbegründer und Mitherausgeber von KINtop – Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films (1992-2006), KINtop Schriften (1992-2012) und KINtop – Studies in Early Cinema (seit 2011). Fernsehfilme, Ausstellungen, DVDs, Bücher und Aufsätze zur Film- und Kinogeschichte. Seit 2005 Betreuung des Filmerbes von Julius Pinschewer, u.a. Edition der DVD Julius Pinschewer – Klassiker des Werbefilms (2011).
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Ralf ForsterFilmtechnikhistoriker und Sammlungskurator am Filmmuseum Potsdam
Ralf Forster, Dr. habil., Filmtechnikhistoriker und Sammlungskurator am Filmmuseum Potsdam, Autor filmwissenschaftlicher Aufsätze und Filmprogramme, Zelluloid-Kollektion zum Lehr-, Privat- und Heimfilm (www.schmalfilmkino.de), von 1999 bis 2004 Forschungen zum deutschen Werbefilm (Dissertationsschrift “Ufa und Nordmark. Zwei Firmengeschichten und der deutsche Werbefilm 1919-1945”, Trier 2005), von 2010 bis 2018 Habilitationsprojekt über den DDR-Amateurfilm (Publikation: “Greif zur Kamera – gib der Freizeit einen Sinn”, München 2018). Letzte Veröffentlichungen über den Maler Otto Nagel, den Palast der Republik im DDR-Fernsehen und zu Filmen über den Chirurgen Egbert Schwarz.
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Yvonne ZimmermannProfessorin für Medienwissenschaft, Marburg
Yvonne Zimmermann ist Professorin für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschichte und Pragmatik visueller Medien an der Philipps-Universität Marburg. Sie hat vielfach zur Geschichte des Schweizer Films publiziert, darunter die Monografie “Bergführer Lorenz: Karriere eines missglückten Films” (2005) und als Herausgeberin und Mitautorin “Schaufenster Schweiz: Dokumentarische Gebrauchsfilme 1896–1964” (2011). Sie ist Mitautorin von “Advertising and the Transformation of Screen Cultures” (2021), Herausgeberin eines Sonderhefts von Early Popular Visual Culture zu “Asta Nielsen: the Film Star System and the Introduction of the Long Feature Film” (2021) sowie Mitherausgeberin von “How Film Histories Were Made: Materials, Methods, Discourses” (2024) und von “Films That Work Harder: The Circulation of Industrial Cinema” (2024). Eine Monografie zu Hans Richter and the Transatlantic Exchange of Film Culture ist in Vorbereitung.