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Stundenplan
21.11.2024
- 09:30 - 09:40
- Begrüßung
- KEYNOTES
- 09:40 - 10:30
- Vom Apfelschuss zur Alpenfestung. Mythen und Geschichten der Schweiz
- Wilhelm Tell ist die berühmteste Geschichtsfigur der Schweiz. Tatsächlich ist sie eine Fiktion, in der sich ein skandinavischer Mythos über einen Skiartisten und Scharfschützen mit den mittelalterlichen Erzählungen über den helvetischen Widerstand gegen die österreichisch- deutsche Reichs-Herrschaft verbindet. Mythos und Erzählung kennzeichnen aber diese Geschichte überhaupt. Warum? Weil die Schweiz erst spät, nämlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu dauerhafter nationaler Einheit gelangte, aber sich als vielsprachiger, föderaler alpiner Kleinstaat zwischen den großen nationalen Blöcken Europas zu behaupten verstand. So entstand in ihrem kollektiven Gedächtnis zwar keine umfassende große Geschichtserzählung, jedoch fanden allmählich mehrere Erzählströme zusammen. Der Mythos vom Meisterschützen Wilhelm Tell kennzeichnet daher zu Recht die Geschichte der Schweiz: ihre Widerständigkeit und Wehrhaftigkeit, aber auch ihre Prägung durch Berg und Tal sowie unverwechselbare eigene Ausformungen unterschiedlicher nachbarlicher Sprachen und Kulturen.
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Sprecher:in
Achatz von Müller
- 10:40 - 11:30
- Swiss film history: a cinema which doesn’t exist.
- At the Universal exhibition of Seville in 1992, the provocative Swiss artist Ben wrote upon the national pavilion: «Switzerland doesn’t exist». Well: Swiss cinema either! In fact, each part of the country has its own film history, which is very different and somehow even opposite during the last century. When the German part, since the Twenties, was developing a real industry of important features, like the one produced by the famous Praesens Films company, funded in 1924, French and Italian parts were essentially collaborating with foreign directors who came to direct some films in the Alps like the Belgian Jacques Feyder or the white Russian Dimitri Kirsanoff. On the other hand, at the end of the Sixties, the new Swiss cinema which received numerous prizes in important festivals – like Cannes, Venice or Berlin – was mainly French speaking, like the films by Alain Tanner, Michel Soutter and Claude Goretta. And the German speaking new talents like Fredi Murer, Markus Imhoof or Xavier Koller had to struggle to be accepted by their own country and authorities. Even if the new federal legislation (*1964) about cinema was national and the Solothurner Filmtage (*1966) tended to unite the various regions, at least the creators, if not the public, we still see that our national production looks always on the other side of the border in relationship with languages and culture, with also different kind of productions: France and Belgium for the French, Germany and Austria for the Swiss Germans, and Italy for the Swiss Italians. Maybe today the so called new «Netflix law» will generate a new kind of Swiss films: in English?
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Sprecher:in
Frédéric Maire
- 11:30 - 12:30
- Diskussion über den Eröffnungsfilm & das Konferenzthema
- 12:30 - 13:30
- Mittagspause
- POLITIK
- 13:30 - 14:30
- Geschäft und Politik: Wirtschaftliche und kulturpolitische Aspekte der Filmbeziehungen Deutschland–Schweiz 1933 bis 1945
- Auch wenn das Schweizer Territorium klein ist, war der Schweizer Filmmarkt in den 1930er-Jahren mit etwa 36 Millionen verkauften Eintritten pro Jahr und dank einer stabilen Währung wirtschaftlich interessant. Den Löwenanteil am Filmangebot stellten die USA, gefolgt von Deutschland und Frankreich. Die deutschen Filme wurden bis 1937 weitgehend von unabhängigen Schweizer Verleihfirmen vertrieben. Das änderte sich mit der Reorganisation der deutschen Filmwirtschaft als reichsmittelbares Quasimonopol; parallel dazu konzentrierte man den Verleih deutscher Filme in der Schweiz auf vier mehr oder minder abhängige Firmen. So geriet das für die Schweizer Filmwirtschaft wichtige Marktsegment völlig unter die Kontrolle Berlins. Im Gegenzug beschloss die Schweizer Regierung 1938 eine Bewilligungspflicht für die Einfuhr von Filmen. Anders als später beschönigend interpretiert, sollte sie nicht die Präsenz des deutschen Films zurückdrängen, sondern primär das Überleben der unabhängigen Verleiher sichern. Kurz nach Kriegsbeginn verordnete der Schweizer Generalstab 1939 die militärische Vorzensur aller Filme. In der Praxis war die Zensurbehörde sehr zurückhaltend. Ihr Hauptaugenmerk lag deutlich auf der außenpolitischen Lage: Die Schweiz wollte keine der Krieg führenden Mächte verärgern und trachtete danach, möglichst symmetrisch Filme, die den Kriegsgegner verunglimpften, zu verbieten oder zu kürzen. Der Kriegsverlauf spiegelt sich deutlich in den Zensurmaßnahmen. Da die Schweiz ab Juni 1940 weitgehend und ab November 1942 völlig von den Achsenmächten eingeschlossen war, wurde mehr und mehr die Einfuhr angelsächsischer Filme zum Problem. Kamen diese anfänglich über Lissabon und den Süden Frankreichs in die Schweiz, verbot die Vichy-Regierung unter deutschem Druck im August 1942 diesen Transit. Ein Treffen von Vertretern der Schweizer Filmwirtschaft mit italienischen Offiziellen führte zur Tolerierung von Filmtransporten über Genua in die Schweiz. Mit der Besetzung Oberitaliens durch deutsche Truppen versiegte auch diese Quelle ab August 1943.
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Sprecher:in
Martin Girod
- 14:40 - 15:30
- Die Terra unterm Schweizerkreuz - Ein Kapitel mit Haken
- Ende 1930 erlangte eine Schweizer Investorengruppe unter Führung der Züricher Familie Scotoni eine Mehrheit an dem siechenden deutschen Filmunternehmen Terra Film AG. Reorganisation und Neuorientierung brachten den Konzern auf Spur und machten die Terra zum Antritt der Nationalsozialisten zum drittwichtigsten Player der reichsdeutschen Filmindustrie. Vorbehaltloses Anbiedern an die neue Führungselite und rücksichtslose Ausrichtung des Konzerns im Sinne der neuen Machthaber machte die Terra zum unverzichtbaren Instrument der Expansionspolitik des Dritten Reichs: »Schweizerfilme« als Koproduktionen sollten die helvetische Filmindustrie abhängig machen, das Schweizer Publikum begeistern und einen Anschluss vorbereitend unterstützen. Der Vortrag gibt Einblicke in den Hintergrund des Engagements der Familie Scotoni, der engen Zusammenarbeit mit den reichsdeutschen Institutionen und dem Ende der hochtrabenden Pläne mit der Terra.
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Sprecher:in
Daniel Otto
Datum
- 21. Nov. 2024
- Abgelaufene Events
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
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Achatz von MüllerHistoriker
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Daniel OttoFilmhistoriker und Anime Expert, Berlin
Daniel Otto, geb. 1966, Studium der Wirtschaftswissenschaft in Bochum, Diplomarbeit über »Filmwirtschaft und schwerindustrielle Unternehmensstrategie in der Weimarer Republik«. Stationen des beruflichen Werdegangs u.a. Leiter des Spielfilmeinkaufs bei KirchMedia, Aufbau des T-Online VoD-Portals, Spielfilmeinkauf bei Premiere-Fernsehen und den Sony-Sendern ANIMAX und AXN, Leiter der Lizenzabteilung von AV-Visionen, Head of Business Development EMEA bei Crunchyroll. Vorträge und Veröffentlichungen u.a. zu Hugo Stinnes und Film in den 1920er Jahren, Gleichschaltung der deutschen Filmindustrie im »Dritten Reich«, Mehrsprachenproduktionen unter Hitler und Franco, der Produzentenfamilie Salkind und zu deutsch-japanischen Koproduktionen in Anime und Realfilm der 1970er und 1980er Jahre. Lebt in Berlin.
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Frédéric MaireDirektor der Cinémathèque suisse, Lausanne
Frédéric Maire, geboren 1961, ist seit 2009 Direktor der Cinémathèque suisse (Schweizerisches Nationales Filmarchiv) in Lausanne und war von 2017 bis 2023 Präsident der FIAF (International Federation of Film Archive). Er studierte Wirtschaft und Literatur an der Universität Neuenburg, bevor er in den späten 1970er Jahren begann, im Bereich des Films zu arbeiten. Er führte Regie bei mehreren kurzen und mittellangen Spielfilmen sowie bei Dokumentarfilmen für das Schweizer Fernsehen und arbeitete als Journalist für mehrere Schweizer Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendungen, vor allem in den Bereichen Film und Kultur. Von 1988 bis 1992 unterrichtete er Einführungskurse in Film an der audiovisuellen Abteilung (DAVI) der Ecole cantonale d’Art de Lausanne (ECAL). Er gehörte 1992 zu den vier Gründern des Kinderfilmclubs The Magic Lantern (www.magic-lantern.org), den er bis 2005 mit leitete. Nachdem er seit 1986 für das Internationale Filmfestival Locarno als Pressesprecher und Programmgestalter gearbeitet hatte, wurde er 2005 zum künstlerischen Leiter des Festivals ernannt, das er bis 2009 leitete.
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Martin GirodFilmjournalist und Programmkurator
Martin Girod, geboren 1945 in Basel, M. A. in Theaterwissenschaft (Universität Köln). Berufliche Laufbahn als Kinoleiter, Filmjournalist, Redakteur und Dozent. 1993–2005 Co-Leiter des Filmpodiums der Stadt Zürich. Seit der Pensionierung freier Filmjournalist und Programmkurator (u.a. Zürcher Stummfilmfestival 2014–2020).