REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2025
Der Reinhold Schünzel-Preis 2025 wurde am 14.11.2025 im Rahmen der Eröffnung des cinefest im Kommunalen Kino Metropolis verliehen.
Die Jury 2025:
- Tereza Czesany Dvořáková, Leiterin Fachbereich Produktion an der FAMU, Prag
- Rainer Rother, ehem. künstlerischer Direkter der Deutschen Kinemathek, Berlin
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
Preisträger 2025:

Robert Fischer
Filmhistoriker und Dokumentarfilmer, München
Seit Mitte der 1970er Jahre widmet Robert Fischer (geb. 2.10.1954 in Greven) sich der Filmgeschichte in all ihren Facetten – als Autor und Herausgeber von Büchern über Alfred Hitchcock, Orson Welles, David Lynch, Quentin Tarantino, François Truffaut, Bernhard Wicki, Rainer Werner Fassbinder und viele andere. Für seine Übersetzung der Schriften Truffauts wurde er mit dem französischen Orden Chevalier des Arts et des Lettres ausgezeichnet.Gemeinsam mit Joe Hembus schrieb er eine Geschichte des »Neuen Deutschen Films« (Goldmann 1981). 1995–1998 war er stellvertretender (und 1999 kommissarischer) Leiter des Filmmuseums im Münchner Stadtmuseum, wo er den Orson-Welles-Nachlass betreute.
Danach wandte er sich dem Dokumentarfilm zu. Seine Arbeiten – darunter DISPLACED PERSON: PETER LORRE UND SEIN FILM "DER VERLORENE" (2007), WORKING WITH MAX OPHÜLS: LOLA MONTÈS REVISITED (2009), MONSIEUR TRUFFAUT TRIFFT MR. HITCHCOCK (1999), FASSBINDER IN HOLLYWOOD (2002), ERNST LUBITSCH IN BERLIN – VON DER SCHÖNHAUSER ALLEE NACH HOLLYWOOD (2006), SWAN SONG: THE STORY OF BILLY WILDER'S FEDORA (2014) und DER FILM VERLÄSST DAS KINO: VOM KÜBELKIND-EXPERIMENT UND ANDEREN UTOPIEN (2018) – wurden international gezeigt, unter anderem im Museum of Modern Art in New York und der Cinémathèque française in Paris.
Für seine Verdienste um die französische Kultur in Deutschland wurde er 2016 von Staatspräsident François Hollande zum Officier de l’Ordre national du Mérite ernannt.
Über 25 Jahre prägte er das Filmfest München als Kurator und Redakteur des Katalogs. Er arbeitet als Consulting Producer für The Criterion Collection und andere renommierte DVD- und Blu-ray-Labels, für die er seit 2002 in seiner Firma Fiction Factory – in Zusammenarbeit mit seiner Frau Françoise Ettel und der Tochter Laura als Kamerafrau – Dokumentationen und Interviews mit internationalen Filmschaffenden produziert.

Die Laudatio hielt Hans-Peter Reichmann
(Senior Curator, DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum)
Aus der Laudatio
Der Mann, der die Filme liebt. Ein Spurensucher des Kinos.
Wer sich in den letzten Jahrzehnten mit Film beschäftigt hat — mit Filmgeschichte, Filmkultur, Filmliteratur — ist Dir, lieber Robert, längst begegnet, als Kritiker, Buchautor, Herausgeber, Filmmacher. Eine Arbeit, oft leise, oft im Hintergrund — aber von großer Wirkung. Mitte der 1970er Jahre hast Du begonnen, über Film zu schreiben. Deine ersten Texte erschienen im Film-Telegramm — in Hamburg. Später dann bei epd Film, steadycam, Screen International und im Berlinale Journal. Deine Kino-Jahrbücher: “Bundesdeutsche Filme auf der Leinwand” und das mit Joe Hembus herausgegebene Buch “Der neue deutsche Film 1960 –1980” stehen heute in vielen gut sortierten Filmbibliotheken. Du hast Standardwerke zu Hitchcock, Welles, Wicki, Lynch, Tarantino, Melville, Bazin, Bresson und vielen anderen ediert und übersetzt. Das Interviewbuch “François Truffaut, wie haben Sie das gemacht?” ist ein Klassiker.
[…] Das Logo Deiner Firma — eine Einstellung aus KIPHO (dem 6min. Kurzfilm von Julius Pinschewer und Guido Seeber aus 1925) verweist auf Deine Liebe zum frühen Kino, zum „Kino der Attraktionen“ [wie Tom Gunning es nannte]. Die FICTION FACTORY ist mehr als ein Label. Sie ist eine Haltung, ein Ort, der filmisches Schaffen bewahrt und dokumentarisch festhält, was Filmgeschichte ausmacht.
Die Namen auf Deiner Website sprechen für sich – beeindruckend. Man fragt sich unweigerlich, mit wem oder über wen Du eigentlich noch nicht gearbeitet hast. Bekannte Namen, Giganten des Weltkinos, stehen dort neben vermeintlichen Nebenfiguren — Menschen, deren Arbeit Du wieder ans Licht bringst. Deine Interviews und Dokumentationen sind nicht einfach Bonusmaterial. Sie sind das zweite Kapitel filmischer Überlieferung. 25 Jahre lang warst du für das Filmfest München tätig: als Moderator, Redakteur, Vermittler, Zuhörer. Immer mit Sinn für Zwischentöne, auch für die leisen Stimmen. Du hast Dialoge ermöglicht: zwischen Archiven, Festivals und Museen, zwischen Generationen und Sprachen.
[…] Du teilst gerne — dein Wissen, deine Kontakte. Ich erinnere mich gut, wie Du uns bei der großen Fassbinder-Ausstellung in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle unterstützt hast. Mit Deinen Zeitzeugeninterviews und mit Zitaten aus Deinem Band “Fassbinder über Fassbinder”, erschienen im Verlag der Autoren. Ein beeindruckendes Werk – von Dir zusammengestellt: dreißig Gespräche mit dem wohl wichtigsten deutschen Regisseur nach dem Zweiten Weltkrieg (geführt zwischen 1969 und 1982).
Und aktuell stellst Du uns wieder wertvolles Material zur Verfügung — für eine Ausstellung zum filmischen Werk von Wim Wenders: Interviews mit Lisa Kreuzer, Bruno Ganz, Rüdiger Vogler, Hanns Zischler — und natürlich mit Wim Wenders selbst. Ein besonderes Schmankerl/Highlight darunter: Dein Gespräch mit Yella Rottländer, heute Ärztin, damals — 1974 — die Alice in ALICE IN DEN STÄDTEN. Dein Netzwerk reicht weit — weltweit: natürlich nach Frankreich, in die USA, nach Australien. Ein Netzwerk des Vertrauens, gegründet auf Austausch, Respekt und Neugier.
Du gibst Erinnerung eine Form. Du rettest Stimmen, Bilder, Zwischentöne – Und Du schenkst uns etwas, das selten geworden ist: Zeit. Zeit zum Schauen, zum Zuhören, zum Nachdenken.
Der Reinhold-Schünzel-Preis ehrt langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Filmerbes. In Deinem Fall ehrt er noch mehr: eine Haltung, eine Lebensleistung, eine Brückenbauer-Rolle — für das Kino und seine Zukunft.
Lieber Robert, Du bist ein Kinoreisender, ein Sammler von Erinnerungen, ein Bewahrer. Herzlichen Glückwunsch zum Reinhold-Schünzel-Preis.
Und danke – für alles, was Du bewahrst, erzählst und weitergibst.
Robert Fischer und Hans-Peter Reichmann bei der Preisverleihung am 14. November 2025
REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2024
Der Reinhold Schünzel-Preis 2024 wurde am 15.11.2024 im Rahmen der Eröffnung des cinefest im Kommunalen Kino Metropolis verliehen.
Preisträger 2024:
Hervé Dumont
Filmhistoriker, Lausanne, Schweiz
Dr. Günter Knorr hielt die Laudatio
Hervé Dumont bei seiner Dankrede
Preisträger Hervé Dumont
Aus der Laudatio:
Das Lob für Hervé Dumont fällt leicht. Das Firmament der Filmhistorie ist, was die deutsche Milchstraße angeht, mit einer nur begrenzten Zahl an Sternen erleuchtet, die schon länger strahlen. Hervé Dumont ist einer davon. Ende der 1970er Jahre trat er im Umfeld der französischsprachigen Schweizer Filmzeitschrift »Travelling« auf den Plan.
Der Theaterwissenschaftler hat in München zum Zürcher Schauspielhaus der 1920er und 1930er Jahre promoviert. Beachtet wurde zunächst seine Arbeit über Leopold Lindtberg, die bereits viele faktografische Informationen über den Schweizer Tonfilm enthielt. Nicht viel später glänzt er mit seinem großen Werk, der »Geschichte des Schweizer Films 1896–1965« (1987). Dabei fiel auf, dass nicht nur gründlich recherchiert worden war, sondern auch noch gute, vor allem lesbare Texte entstanden. Später wurde Dumont Leiter der Cinémathèque suisse, die er auf eine solide Grundlage gestellt hat. Dumont verbindet durch seine Geläufigkeit in zwei Sprachen das germanische mit dem romanischen Element. Viele seiner Bücher sind in französischer und deutscher Sprache erschienen. Das bedeutet ein Plus in Zeiten, in denen das Englische, auch in den Köpfen der Filmhistoriker, eine starke Stellung hat und die reichhaltige frankophone Welt der Filmgeschichte dem Deutschen eher fremd ist.
Hervé Dumont ist in seinem Auftreten, das Autorität und hohe Bildung mit Bescheidenheit verbindet, der Aristokrat unter den Filmhistorikern. Den Reinhold Schünzel-Preis hat er sicher verdient. Hervorzuheben ist auch die Arbeit, die er mit seiner Website hervedumont.ch seit Jahren leistet: Unter Cinéma & Histoire sortiert er 24.000 Kino- und Fernsehfilme, vielfach mit detaillierter Beschreibung, den Geschichtsepochen zu, die ihren Inhalt ausmachen. Eine Fundgrube, wohlgemerkt in französischer Sprache.
Die Jury 2024:
- Tereza Czesany Dvořáková, Leiterin Fachbereich Produktion an der FAMU, Prag
- Christiane von Wahlert, Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2023
Der Reinhold Schünzel-Preis 2023 wurde am 17.11.2023 im Rahmen der Eröffnung des cinefest im Kommunalen Kino Metropolis verliehen.
Preisträger 2023:
Leonardo Quaresima
Filmhistoriker, Udine, Italien
Die Laudatio und Begründung der Jury wurde von Hans-Michael Bock in Vertretung der Jury vorgetragen.
Leonardo Quaresima und Luisa Quaresima
Eine von anderen Disziplinen losgelöste Filmwissenschaft ist ein leeres Unterfangen: Ohne die Fähigkeit, Filme im Zusammenhang mit der Welt, die sie hervorgebracht hat, zu betrachten, verlieren wir uns in reiner Theorie und ignorieren die unzähligen Einflüsse, die in diese umfassendste aller Kunstformen einfließen.
Der diesjährige Preisträger des Reinhold Schünzel-Preises, Leonardo Quaresima, vertritt seit langem einen maximalistischen Ansatz, wie er kürzlich in einem Interview erläuterte: »Ich habe immer mit Misstrauen auf diejenigen geblickt, die davon überzeugt waren, dass alle Erklärungen für das Kino im Kino selbst zu finden sind; um das Kino zu verstehen, muss man für mich darüber hinausgehen.«
Dieser Imperativ spiegelt sich seit langem in seinen einflussreichen Schriften wider, deren Vielfalt an Interessen einen analytischen Geist offenbart, der darauf bedacht ist, Verbindungen herzustellen. Dieser Ansatz hat das von ihm gegründete und bis vor wenigen Jahren geleitete »Filmforum – International Film Studies Conference« in Udine und die »MAGIS International Spring School« in Gorizia zu einem Vorbild für akademische Konferenzen gemacht. Und es spiegelt sich auch in seinen Publikationen wider. Allein sein Werk über das Kino der Weimarer Zeit ist außerordentlich beeindruckend, mit grundlegenden Arbeiten über Leni Riefenstahl, Siegfried Kracauer und Joseph Roth, um nur einige zu nennen – die beiden letztgenannten sind herausragende Beispiele für Autoren, deren eigene Texte die Notwendigkeit eines Blicks über den Tellerrand hinaus unterstreichen.
Es ist daher ein besonderes Privileg, Leonardo Quaresima mit dem diesjährigen Preis zu ehren.
Die Jury 2023:
- Christiane von Wahlert, Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
- Heike Klapdor, Filmhistorikerin, Berlin, Reinhold Schünzel-Preisträgerin 2016
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2022
Der Reinhold Schünzel-Preis 2022 wurde am 11.11.2022 im Rahmen der Eröffnung des cinefest im Kommunalen Kino Metropolis verliehen.
Die internationale Jury verlieh den Reinhold-Schünzel-Preis 2022 an die Filmhistorikerin
Sabine Hake
Die Laudatio und Begründung der Jury wurde von Hans-Michael Bock in Vertretung der Jury vorgetragen.
Sabine Hake und Hans-Michael Bock
Sabine Hake studierte Germanistik und Soziologie in Hannover. 1984 verfasste sie ihre Dissertation »Ernst Lubitsch, eine deutsche Aufsteigergeschichte« und wanderte in die USA aus, wo sie 16 Jahre lang an der University of Pittsburgh lehrte. 2004 wechselte sie nach Austin an die University of Texas als Professorin und Texas Chair of German Literature and Culture. Als Kultur- und Filmhistorikerin befasst sie sich mit den Schwerpunkten Deutsche Filmgeschichte und Kultur der Weimarer Republik. Ihr Spezialgebiet liegt neben der klassischen Filmtheorie in der Beziehung zwischen kulturellen Praktiken und ästhetischen Empfindungen wie Modernismus und faschistische Ästhetik sowie in der Massen-, Populär-, Urban- und Arbeiterkultur.
1992 publizierte sie ihr erstes Buch »Passions and Deceptions: The Early Films of Ernst Lubitsch«, in dem sie Lubitschs frühe deutsche Filme untersuchte. »Was mich damals beeindruckte und auch heute noch beeindruckt, ist die Art und Weise, wie sie konkurrierende Denkschulen beiseiteschob, um einen umfassenderen Ansatz zu verfolgen, der weit über das hinausging, was gerade in Mode war. Von Beginn ihrer akademischen Laufbahn an respektierte sie die Filme und ihre Macher, anstatt ihnen durch wechselnde Ideologie- und Theoriewellen zu begegnen.« (Weissberg). Ihr zweites Buch »The Cinema’s Third Machine: Writing on Film in Germany, 1907-1933« (1993) behandelt nicht das sogenannte »expressionistische Kino«, sondern beschreibt das publizistische und theoretische Umfeld, in dem die Filmkultur damals entstand. »Der Band präsentierte den englischsprachigen Lesern wichtige Texte, die zuvor schwer zugänglich waren, und demonstrierte damit ihren umfassenden Ansatz der Filmgeschichte, der auf der Integration von Film, Rezeption und Analyse beruhte.« (Jury). 2001 erschien ihr Buch mit ihrer Einführung in das Thema »Filmpublizistik der Weimarer Jahre« (1997), und wurde 2007 in der Reihe des »German National Cinema« erweitert. Im folgenden Jahrzehnt untersuchte sie die Formen der Unterhaltungs-Genres innerhalb des »Dritten Reichs«, und befasste sich ausführlich in zwei Büchern mit dem »Popular Cinema of the Third Reich«. »Sie ging über simplifizierende Vorstellungen von Propaganda und deren Macht hinaus, um die Bildsprache und die Wirkung des Vergnügens fundierter zu diskutieren.« (Jury). In den Folgejahren forschte sie intensiv zum Thema Arbeiterkultur, wie auch 2008 in »Topographies of Class: Modern Architecture and Mass Society in Weimar Berlin«. Ihr bislang letztes Werk »The Nazi Worker« (2023) ist der zweite Teil eines dreibändigen Projekts über die Figur des Arbeiters und im weiteren Sinne auch über Klassenfragen in der deutschen Kultur des 20. Jahrhunderts.
2005-16 war sie gemeinsam mit Hans-Michael Bock (CineGraph, Hamburg) und Tim Bergfelder (University of Southampton) Herausgeberin der Serie »Film Europa. German Cinema in an International Context« bei Berghahn Books in New York und Oxford. 2011-21 fungierte sie außerdem als Herausgeberin von »German Studies Review«, der Zeitschrift der einflussreichen German Studies Association.
Die Jury 2022:
- Christiane von Wahlert, Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
- Heike Klapdor, Filmhistorikerin, Berlin, Reinhold Schünzel-Preisträgerin 2016
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2021
Der Reinhold Schünzel-Preis 2021 wurde am 12.11.2021 im Rahmen der Eröffnung des cinefest im Kommunalen Kino Metropolis verliehen.
Die internationale Jury verlieh den Reinhold-Schünzel-Preis 2021 an die Filmhistorikerin
Christiane Mückenberger
Die Laudatio und Begründung der Jury wurde von Hans-Michael Bock und dem Jury-Mitglied Jay Weissberg vorgetragen. Da Christiane Mückenberger nicht selbst anreisen konnte, wurde Ihr der Preis vorab in ihrer Wohnung in Potsdam-Babelsberg überreicht.
Die Jury 2021:
- Christiane von Wahlert, Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
- Heike Klapdor, Filmhistorikerin, Berlin, Reinhold Schünzel-Preisträgerin 2016
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
REINHOLD SCHÜNZEL-PREIS 2020
Der Reinhold Schünzel-Preis 2020 wurde am 13.11.2020 im Rahmen der Eröffnung des cinefest, die in diesem Jahr nur online stattfinden konnte, verliehen.
Die internationale Jury verlieh den Reinhold-Schünzel-Preis 2020 an die Filmhistorikerin und Kulturpolitikerin
Kathinka Dittrich van Weringh
Kathinka Dittrich van Weringh studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Anglistik in Heidelberg, Hamburg, Manchester und München. Nach dem Abschluss 1966 arbeitete sie 27 Jahre lang für das Goethe-Institut: zunächst in Barcelona, dann in New York, ab 1979 in Amsterdam, wo sie 1981-86 Leiterin des Goethe-Instituts war. Dort begann sie, trotz der nach der Nazi-Okkupation im Zweiten Weltkrieg immer noch bestehenden Spannungen, auf die zahlreichen kulturellen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland hinzuweisen. 1981 veranstaltete sie in Leiden zusammen mit Prof. Hans Würzner die Konferenz »Nederland en het Duitse Exil 1933-1940 / Die Niederlande und das deutsche Exil 1933-1940« (dazu ein Buch mit gesammelten Aufsätzen). Im folgenden Jahr organisierte sie in Amsterdam (und anderen niederländischen Städten) die Ausstellung »Berlijn-Amsterdam 1920-1940: wisselwerkingen« mit einem umfangreichen Katalogbuch.
Dabei lag ihr persönliches Interesse vor allem auf dem Gebiet des Films. Mit ihrer Promotion »Der niederländische Spielfilm der dreissiger Jahre und die deutsche Filmemigration« (1987 an der Universität Amsterdam), wies sie erstmals detailliert auf diese eher übersehene Station des Filmexils hin.
1996 erhielt sie den niederländischen Von der Gablentz-Preis, weil sie durch ihre zahlreichen Kulturinitiativen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zwischen Deutschland und den Niederlanden beigetragen hat.
Das Angebot, Direktorin des Nederlands Filmmuseums zu werden, lehnte sie auf Wunsch ihres niederländischen Manns Koos van Weringh, freischaffender Autor & Journalist, ab, um weiter bei Goethe zu bleiben.
Nach einiger Zeit in der Zentrale in München organisierte sie 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Gründung des ersten Goethe-Instituts in Moskau und publizierte darüber das Buch »Abenteuer Moskau« (1994/95).
1994-98 war sie Kulturdezernentin der Stadt Köln, wo sie noch heute lebt. Seither ist sie freiberufliche Kulturberaterin und Autorin. 2003 wurde sie Vorsitzende des Vorstands der Europäischen Kulturstiftung in Amsterdam.
2017 veröffentlichte sie ihre umfangreichen Memoiren (mehr als 600 Seiten): »Wann vergeht Vergangenheit?«. Darin läßt sie die Leser an ihren Begegnungen mit Künstlern, Filmmachern, Schriftstellern und Musikern, mit Funktionären und Politikern teilhaben. Sie war immer neugierig auf die Welt und ihre Menschen, verstand sich als Beobachterin und vor allem als Vermittlerin zwischen den Kulturen.
Die Jury 2020:
- Michal Bregant, Direktor des Nationalen Filmarchivs in Prag
- Heike Klapdor, Filmhistorikerin, Berlin, Reinhold Schünzel-Preisträgerin 2016
- Jay Weissberg, Künstlerischer Direktor von Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone
Der Reinhold Schünzel-Preis ist ein Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Film-Erbes an eine oder mehrere Personen (nicht Institutionen).
Benannt nach dem 1888 in Hamburg geborenen Schauspieler und Regisseur Reinhold Schünzel, der – aus dem Exil in Hollywood zurückgekehrt – 1954 in München gestorben ist.
Frühere Preisträger (Link führt zur alten Website)




