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The 34th International Film History Conference is an integral part of cinefest, where the topics of the festival will be explored in presentations and discussions.
Prior accreditation is required for participation.

Stundenplan

21.11.2021

PANEL 5: LINKE PERSPEKTIVEN
9:30 - 10:15
Leo Lania und die Erfindung des Dokumentarfilms
Leo Lania, geb. 1896 in Charkow, ist als Journalist, Literat und Dramaturg erst spät zum Film gekommen. Sein Herzblut gilt zunächst der journalistisch sachlichen Reportage und dem gesellschaftlich engagierten Theater der Neuen Sachlichkeit. Gemeinsam mit Erwin Piscator und Bertolt Brecht »infiziert« er nicht nur das zeitge-nössische Theater mit der Idee des Dokumentarischen, sondern trägt dieses Konzept auch in den Film hinein. Mit nur wenigen Filmen und einer Reihe von Begleitartikeln trägt er zur Erfindung des »dokumentarischen Films« als Gattung bei. Seine Kompilation IM SCHATTEN DER MASCHINE (1928) dreht sowjetische Filmbilder der Technikbegeisterung durch Montage in Technikkritik um und entwickelt dem Archivfilm als ein (kostengüns-tiges) Konzept des Arbeiterfilms. UM’S TÄGLICHE BROT (HUNGER IN WALDENBURG), entworfen gemeinsam mit Phil Jutzi, ist einer der ersten proletarischen Filme, der an den realen Orten und fast ausschließlich unter der Mitwirkung von Laiendarstellern entsteht. Lanias Vorspanntext propagiert offensiv die Idee des filmischen »Dokuments«. Die Suggestion eines Dokuments ist ein wertvolles Argument im Klassenkampf. Der Begriff »dokumentarischer Film« zieht Ende der 1920er Jahre in Deutschland in das Filmfachvokabular ein. Später beweist Lania auch im anspruchsvollen Spielfilm, dass er die Gestaltung dramaturgischer Abläufe beherrscht wie kein anderer, u.a. in Filmen für E. A. Dupont, Alexej Granowski, Robert Wiene und immer wieder G. W. Pabst.
Sprecher:in
Thomas Tode
10:30 - 11:15
Heimat und Ausland. Slatan Dudov’s Wanderjahre (1919–1946)
Es gibt zwei Abschnitte im 60-jährigen Leben von Slatan Dudow, auf die sich fast das ganze Wissen über ihn konzentriert. Der erste umfasst den Zeitraum von 1925 bis 1932 – vom Beginn seines Studiums der Theater-wissenschaften bei Max Hermann an der Humboldt-Universität bis zur Premiere seines Spielfilmdebüts KUHLE WAMPE. Der zweite bezieht sich auf die Zeit von seiner Rückkehr nach Berlin im Frühjahr 1946 und seiner Be-teiligung am Aufbau der DEFA bis zu seinem Tod im Juni 1963. Insgesamt 24 Jahre. Der Rest seiner Biographie, also der Großteil seines Lebens, besteht aus einer Reihe weißer Flecken und Grauzonen, die von Hypothe-sen, Spekulationen, ideologisch geprägten Fantasien einiger Biographen und sogar mancher Selbstinszenie-rungen beherrscht werden. Diese 36 Jahre umfassen die Kindheit und die frühe Jugend (1903–1919) in Zaribrod, einst Königreich Bulgarien, später Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, des ehemaligen Tito-Jugoslawiens und heutigen Serbiens; die späte Jugend (1919–1922) in Sofia und die ersten Jahre (1923–1925) in der Emigration in Berlin, einschließlich eines viermonatigen Aufenthalts in Sofia (Juni–September 1924), eine weitere Emigration nach Paris vom Herbst 1933 bis Anfang Juni 1940, dann weiter in die Schweiz bis zu seiner Rückkehr nach Berlin im Frühjahr 1946. Es waren Jahre seiner intellektuellen, schöp-ferischen und ideologischen Formung, deren Ereignisse oft im Rückblick auf sein späteres politisches und ideologisches Engagement in der DDR und der SED interpretiert werden. Slatan Dudows Aufstieg zu einer der führenden Persönlichkeiten der DEFA und des ostdeutschen Films und ostdeutscher Kultur war allerdings weitaus steinig und kontrovers. Er zeigt die Entwicklung eines Filmemachers, der in den ersten sechs Jahr-zehnten des europäischen 20. Jahrhunderts von allen möglichen Wandlungen und Turbulenzen geprägt wur-de.
Sprecher:in
Alexander Donev
11:30 - 12:15
»Wir haben in unseren Filmen bewiesen, dass die Gegenwart langweilig ist.« Slatan Dudow und die Sorge um den realistischen DEFA-Film der 1950er- und frühen 60er-Jahre
Als Slatan Dudow dies zu seinen Kolleginnen und Kollegen im DEFA-Studio für Spielfilme sagte, litt die ost-deutsche Kinofilmproduktion längst an einer schwindenden Publikumswirksamkeit. Als anerkannter Regis-seur und streitlustiger Redner wirkte Dudow in »erster Reihe« mit an der Gestaltung und Verständigung so-zialistisch-realistischer Ansprüche an die Filmkunst. Mit ihr das Publikum zu erreichen, war die oberste Missi-on. Ob mit packendem Ernst oder dem bösen Lachen der Satire bzw. dem heiteren der Komödie: auch seine Filme sollten unterhalten und dabei gleichzeitig das Denken aktivieren. Welche Wege schlug Dudow in diesem Ringen um eine ansprechende realistische Dramaturgie und bildliche Gestaltung ein? Seine Suche nach »typischen« Figuren und Karikaturen (FRAUENSCHICKSALE, DER HAUPTMANN VON KÖLN) und Versuche zur Inszenierung des Gegensatzes von sozialistischer Utopie und dem »Ewiggestri-gen« (UNSER TÄGLICH BROT, FAMILIE BENTHIN) sowie mit der Darstellung des für die Gegenwart sinnstiftenden, tradierungswürdigen Gehalts der Geschichte etwa des antifaschistischen Widerstands (STÄRKER ALS DIE NACHT) waren von Anerkennung und Schematismus-Kritik begleitet. Er wandte sich den Problemen und Chancen der Jugend zu (VERWIRRUNG DER LIEBE), aber auch den Widersprüchen einer sich zwar zur Emanzipation beken-nenden, aber teils noch unter starren Vorurteilen leidenden Gesellschaft zu (CHRISTINE). Dabei stieß er nicht selten auf kulturpolitische, produktionsbedingte und womöglich sogar eigene Grenzen. Der Vortrag ist ein Werkstattbericht zu einigen aktuellen Forschungsfragen eines derzeit entstehenden Sammelbands über Werk und Leben des Regisseurs.
Sprecher:in
René Pikarski
12:15 - 13:45
Lunch Break
13:45 - 14:30
Spuren einer Hoffnung. Sowjetische Berater und ihr Einfluss auf den frühen DEFA-Film
Als am 17. Oktober 1946 die DEFA gegründet wird, hält der Leiter der Kulturabteilung der Sowjetischen Mili-täradministration, Sergej Tulpanow, eine viel beachtete Rede: »Der Film als Massenkultur muss eine scharfe und mächtige Waffe gegen die Reaktion und gegen den Krieg und Militarismus und für Frieden und Freund-schaft aller Völker der ganzen Welt werden.« Um ein entsprechendes Programm zu begleiten, setzt die SMAD sowjetische Kulturoffiziere ein. Als die DEFA im November 1947 von einer GmbH in eine deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft umgewandelt wird, stel-len die »Hauptverwaltung des sowjetischen Eigentums im Ausland« und das sowjetische Ministerium für Kinematografie Treuhänder, künstlerische und technische Berater: darunter Ilja Trauberg, Alexander Wol-kenstein, Alexander Andrijewski, Leonid Antonow, Wassili Pronin, Igor Tschekin, Alexander Galperin. DEFA-Mitarbeiter der ersten Stunde erinnern sich an sie als gebildete, aufgeschlossene, an deutscher Kultur inte-ressierte Intellektuelle, viele von ihnen aus Leningrad. Wer also waren diese Männer? Wie nahmen sie Einfluss auf die Neuausrichtung des deutschen Films? Wo kamen sie her, wo gingen sie hin? Eine Spurensuche, die auch auf Leerstellen der deutschen – und russi-schen – Filmgeschichtsschreibung hinweist.
Sprecher:in
Ralf Schenk
14:45 - 15:30
Closing Discussion
Thomas Tode
Filmmacher und -publizist, Hamburg
Lebt in Hamburg als freier Filmmacher, Kurator und Filmpublizist. Forscht und lehrt zu Essayfilm, Sowjetavantgarde, politischem Dokumentarfilm, Architekturfilm, Re-education. Kurator von Filmretrospektiven, DVD-Editionen und Ausstellungen (zuletzt: bauhaus.film.expanded, ZKM Karlsruhe 2020). Bücher zu Johan van der Keuken, Chris Marker (2), Dziga Vertov (2), Fotofilm, Essayfilm, bauhaus & film; Potemkin-Meisel. Filme (zuletzt): Hafenstraße im Fluss (2010); Das Große Spiel: Archäologie und Politik (2011); Dreams Rewired – Mobilisierung der Träume (2015).
Alexander Donev
Filmhistoriker, Sofia
wurde 1961 in Dimitrowgrad, Bulgarien geboren und erwarb den Magistergrad in Filmwissenschaften an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia. Er sammelte Erfahrungen als Filmkritiker, Buchverleger, Filmvorführer und Filmverleiher. Er agierte als Produzent und Mitproduzent nationaler und internationaler Filme. Er führte bei mehreren Dokumentarfilmen über Kunst und Literatur Regie. Alexander Donev lehrt Filmwissenschaften und -Marketing an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst. Als Berater ist er an mehreren bulgarischen Filmfestivals assoziiert, und er gründete das erste bulgarische Festival für per Handy kreierte Filme. Im Jahr 2016 beendete er seine Doktorarbeit über die bulgarische Filmindustrie ab 1989. Seit 2017 forscht er an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsbereiche: Geschichte und Gegenwart des bulgarischen Films, Filmsoziologie, Geschichte und Theorie der Filmindustrie, Publikumsforschung, Studien zum unabhängigen, Amateur- und Alternativfilm, Filmpolitik und Filmförderung.
René Pikarski
Wissenschaftlicher Referent, DEFA-Stiftung, Berlin
ist seit Januar 2021 wissenschaftlicher Referent der DEFA-Stiftung in Berlin. Zu seinen Tätigkeiten gehören die inhaltliche Betreuung der Manuskript- und Schriftenreihe, Beratung bei wissenschaftlichen Rechercheanfragen und Redaktion des Journals »Leuchtkraft«. Zurzeit entsteht unter Co-Herausgeberschaft mit Ralf Schenk und in Kooperation mit der Akademie der Künste ein Sammelband zu Leben und Werk des Regisseurs Slatan Dudow. Bereits neben dem Studium Kultur & Technik mit Kernfach Philosophie (2010–13, Bachelor of Arts) und Philosophie des Wissens und der Wissenschaft (2013¬–17, Master of Arts) arbeitete er für die DEFA-Stiftung u.a. in den Bereichen Filmdatenbank, Rechtedokumentation, Audiovisuelle Medienarchive. Momentan arbeitet Pikarski außerdem an seiner Dissertation (Promotion voraussichtlich 2022/23 an der Hochschule für Philosophie in München) zu Schriften von Henri Bergson und Michel Foucault hinsichtlich der Frage nach einem biophilosophischen Intuitionsbegriff für gegenwärtige sozialkritische Diskurse und für ethopoietische Prozesse. Er ist Autor verschiedener filmhistorischer und kulturphilosophischer Essays.
Ralf Schenk
Filmhistoriker, Berlin
schrieb seine erste Filmkritik mit Siebzehn, studierte Journalistik und arbeitete bei den Zeitschriften »Film und Fernsehen« und »Die Weltbühne« sowie beim Filmmuseum Potsdam. Die Geschichte der DEFA wurde zu sei-nem Spezialgebiet. An der Filmkunst der DDR interessieren ihn die Reibungen von Politik und Kunst, Thema und Form, Welthaltigkeit und Provinz. Als Autor und Herausgeber verantwortete er rund zwanzig Bücher, so über den DEFA-Spielfilm (1994), den DEFA-Dokumentarfilm (1996), den DEFA-Trickfilm (2003), über Schauspieler, Regisseure und Kritiker. Er restaurierte verbotene Filme, war 16 Jahre lang Mitglied der Berlinale-Auswahljury und leitete von 2012 bis 2020 die DEFA-Stiftung in Berlin. 2011 erhielt er den Ehrendoktor der Filmuniversität Babelsberg. 2020 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Bemühungen um das deutsche Filmerbe. Er lebt als Filmpublizist in Berlin.
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Datum

21. Nov. 2021
Abgelaufene Events

Uhrzeit

9:30 - 16:00

Sprecher

  • Alexander Donev
    Filmhistoriker, Sofia

    wurde 1961 in Dimitrowgrad, Bulgarien geboren und erwarb den Magistergrad in Filmwissenschaften an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia. Er sammelte Erfahrungen als Filmkritiker, Buchverleger, Filmvorführer und Filmverleiher. Er agierte als Produzent und Mitproduzent nationaler und internationaler Filme. Er führte bei mehreren Dokumentarfilmen über Kunst und Literatur Regie. Alexander Donev lehrt Filmwissenschaften und -Marketing an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst. Als Berater ist er an mehreren bulgarischen Filmfestivals assoziiert, und er gründete das erste bulgarische Festival für per Handy kreierte Filme.
    Im Jahr 2016 beendete er seine Doktorarbeit über die bulgarische Filmindustrie ab 1989. Seit 2017 forscht er an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsbereiche: Geschichte und Gegenwart des bulgarischen Films, Filmsoziologie, Geschichte und Theorie der Filmindustrie, Publikumsforschung, Studien zum unabhängigen, Amateur- und Alternativfilm, Filmpolitik und Filmförderung.

  • Ralf Schenk
    Filmhistoriker, Berlin

    schrieb seine erste Filmkritik mit Siebzehn, studierte Journalistik und arbeitete bei den Zeitschriften »Film und Fernsehen« und »Die Weltbühne« sowie beim Filmmuseum Potsdam. Die Geschichte der DEFA wurde zu sei-nem Spezialgebiet. An der Filmkunst der DDR interessieren ihn die Reibungen von Politik und Kunst, Thema und Form, Welthaltigkeit und Provinz. Als Autor und Herausgeber verantwortete er rund zwanzig Bücher, so über den DEFA-Spielfilm (1994), den DEFA-Dokumentarfilm (1996), den DEFA-Trickfilm (2003), über Schauspieler, Regisseure und Kritiker. Er restaurierte verbotene Filme, war 16 Jahre lang Mitglied der Berlinale-Auswahljury und leitete von 2012 bis 2020 die DEFA-Stiftung in Berlin. 2011 erhielt er den Ehrendoktor der Filmuniversität Babelsberg. 2020 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Bemühungen um das deutsche Filmerbe. Er lebt als Filmpublizist in Berlin.

  • René Pikarski
    Wissenschaftlicher Referent, DEFA-Stiftung, Berlin

    ist seit Januar 2021 wissenschaftlicher Referent der DEFA-Stiftung in Berlin. Zu seinen Tätigkeiten gehören die inhaltliche Betreuung der Manuskript- und Schriftenreihe, Beratung bei wissenschaftlichen Rechercheanfragen und Redaktion des Journals »Leuchtkraft«. Zurzeit entsteht unter Co-Herausgeberschaft mit Ralf Schenk und in Kooperation mit der Akademie der Künste ein Sammelband zu Leben und Werk des Regisseurs Slatan Dudow.
    Bereits neben dem Studium Kultur & Technik mit Kernfach Philosophie (2010–13, Bachelor of Arts) und Philosophie des Wissens und der Wissenschaft (2013¬–17, Master of Arts) arbeitete er für die DEFA-Stiftung u.a. in den Bereichen Filmdatenbank, Rechtedokumentation, Audiovisuelle Medienarchive. Momentan arbeitet Pikarski außerdem an seiner Dissertation (Promotion voraussichtlich 2022/23 an der Hochschule für Philosophie in München) zu Schriften von Henri Bergson und Michel Foucault hinsichtlich der Frage nach einem biophilosophischen Intuitionsbegriff für gegenwärtige sozialkritische Diskurse und für ethopoietische Prozesse. Er ist Autor verschiedener filmhistorischer und kulturphilosophischer Essays.

  • Thomas Tode
    Filmmacher und -publizist, Hamburg

    Lebt in Hamburg als freier Filmmacher, Kurator und Filmpublizist. Forscht und lehrt zu Essayfilm, Sowjetavantgarde, politischem Dokumentarfilm, Architekturfilm, Re-education. Kurator von Filmretrospektiven, DVD-Editionen und Ausstellungen (zuletzt: bauhaus.film.expanded, ZKM Karlsruhe 2020). Bücher zu Johan van der Keuken, Chris Marker (2), Dziga Vertov (2), Fotofilm, Essayfilm, bauhaus & film; Potemkin-Meisel. Filme (zuletzt): Hafenstraße im Fluss (2010); Das Große Spiel: Archäologie und Politik (2011); Dreams Rewired – Mobilisierung der Träume (2015).


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