Für die Teilnahme ist eine vorherige Akkreditierung erforderlich.
Stundenplan
20.11.2025
- 09:30 - 09:35
- Begrüßung
- KEYNOTE: BRD
- 09:35 - 10:30
- Eine zerrüttete Beziehung. Literatur und Film in der BRD
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Sprecher:in
Hans-Michael Bock, Michael Töteberg
- Panel 1: Uwe Johnson | Wolf Wondratschek
- 10:40 - 11:25
- Zwischen literarischem Kommentar und Direct Cinema. Uwe Johnsons Summer in the City (1969)
- 1969 entstand mit SUMMER IN THE CITY ein bemerkenswerter Fernsehfilm des SFB über das Leben in New York während des »long hot summer« von 1968. Für diesen Dokumentarfilm des Senders Freies Berlin verfasste der Schriftsteller Uwe Johnson nicht nur den Kommentartext, sondern sprach ihn auch selbst ein. Grundlage war sein essayistischer Text »Ein Teil von New York« (1968), dessen poetische Beobachtungen an der Upper West Side in den Film einflossen, wenn auch nur in Teilen. In einem Brief kritisierte Johnson die dramaturgischen Eingriffe der Filmmacher Christian und Michael Schwarzwald, die »Blackwoods«, wie er sie nannte. Insbesondere der direkte, teils voyeuristische Blick der Kamera auf Heroinabhängige und Transpersonen irritierte Johnson, obwohl dieser Stil der dokumentarischen Beobachtung dem Geist des Direct Cinema entsprach und Ausdruck einer zeitgenössischen Fernsehästhetik war. Johnsons Mitarbeit an SUMMER IN THE CITY steht exemplarisch für die produktiven, aber spannungsvollen Verbindungen von Literatur, Autorenstimme und dokumentarischen Fernseharbeiten in den 1960er und 1970er Jahren. Der Film eröffnet zudem einen Blick auf westdeutsche Vorstellungen von der USA, vermittelt durch die Perspektive eines in New York lebenden und für sein Hauptwerk »Jahrestage« (1970–83) recherchierenden Autors. Der Beitrag beleuchtet die Entstehung des literarischen Ausgangstextes, die medienästhetischen Eigenheiten seiner filmischen Adaptation und die historischen Kontexte des Vorhabens. Er fragt zugleich nach den Spuren, die Johnsons Stimme im deutschen Fernsehen der späten 1960er Jahre hinterlassen hat.
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Sprecher:in
Andy Räder
- 11:35 - 12:20
- Kritik und Exzess: Zu den Filmprojekten von Wolf Wondratschek
- Nach seiner ersten Prosasammlung betitelte Der Spiegel Wolf Wondratschek als den »ersten SDS-Genossen, der diskutable Belletristik präsentiert«. Dass der heute als Populärlyriker bekannte Autor sich in Wirklichkeit am kritischen Rand der Außerparlamentarischen Opposition bewegte, zeigt sein Drehbuch »Die Rache« (1968), das von Peter Lilienthal angeregt wurde. Statt politische Taten interessieren ihn ästhetische Formexperimente: In diesem Kontext entstanden heute vergessene Kurzfilme, welche die Stereotypie des Westernfilms (WESTERN. EIN FILM OHNE BILDER, 1970; DER FILMHELD IST DER HELD DES FILMS - 3 KÜRZESTFILME, 1973) und die Produziertheit von sexuellen Wunschbildern (SUSI, 1971) exponieren. Während diese Dekonstruktion von Alltagsmythen in den nächsten Jahren in den Hintergrund rückt, tritt eine Faszination für sinnliche Transgressionen aus dem Schatten hervor. Die Überwindung von Sexualtabus beschäftigt ihn in dem Drehbuch zu Daniel Schmids Inzestdrama VIOLANTA (1977) und in dem autobiografischen Skript »Im Dunklen Herz des Nachmittags« (1977), das wider Plan nie von Werner Schroeter filmisch umgesetzt wurde. Nach dem Tod von R. W. Fassbinder schrieb er diesem anlässlich eines Dokumentarfilms zu den Dreharbeiten von QUERELLE (1982) ein Requiem, das seinen Lebensstil noch nach dessen Tribut würdigt. Das filmische Schaffen von Wolf Wondratschek steigt und fällt konsequent mit der Existenz des Neuen Deutschen Films und kann als exzessive Auflösung seiner kritischen Anfänge begriffen werden.
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Sprecher:in
Jonathan Ciesla
- 12:20 - 13:30
- Mittagspause
- Panel 2: Peter Weiss
- 13:30 - 14:15
- Bild, Wort, Bewegung. Peter Weiss’ intermediale Kunst
- Schon in Peter Weissʾ erster schwedischer Erzählung »De Besegrade« (1948, »Die Besiegten«, 1985), die der Maler, Emigrant und Journalist aus den 1947 für eine Stockholmer Tageszeitung gemachten Berlin-Reportagen entwickelte, fallen Ästhetiken filmischen Schreibens auf. In der frühen Erzählung »Der Vogelfreie« (schwed. 1948, dt. u. d.T. »Der Fremde« 1985) verstärkt der Autor die traum-realistische Gestaltung visuell imaginierter, hier in wortsprachliche poetische Phantasien gefasster Ereignisse in einer Weise, die die Präferenz des Avantgardisten zu erkennen geben: »Das Bild ist stärker als das Wort. Keine Beschreibung kann an die unmittelbare Wirkung eines Bildes heranreichen. Das Wort ist abstrakt. Das Bild konkret.« (Peter Weiss: Avantgarde Film, 1956) So erscheint es folgerichtig, dass der experimentelle Filmmacher Peter Weiss aus der Erzählung »Der Vogelfreie« / »Der Fremde« seinen einzigen Spielfilm HÄGRINGEN (1958/59) entwickelt und die literarische in eine filmische rite-de-passage verwandelt. Er transformiert die Erfahrung des Schriftstellers und die Erfahrung seines jugendlichen Protagonisten in eine filmische Erfahrung.
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Sprecher:in
Heike Klapdor
- 14:30 - 15:30
- Diskussionsrunde
Datum
- 20. Nov.. 2025
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
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Andy RäderMedien- und Kommunikationswissenschaftler, Universität Rostock
Dr. Andy Räder ist Wissenschaftlicher Koordinator des Departments »Wissen – Kultur – Transformati-on« der Universität Rostock. Promotion an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte und Forschungsinteressen: Mediengeschichte, Minderheiten und marginalisierte Filmkulturen und Digital Humanities. Neue Publikationen: »Sorbische Filmlandschaften. Serbske fil-mowe krajiny« (mit Grit Lemke, 2024) und Mitherausgeber des Bandes »Der 5. Kanal« (2024) im Rahmen der Uwe-Johnson-Werkausgabe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW).
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Hans-Michael BockFilmhistoriker, Hamburg
Geb. 1947. Diverse Bücher zu Arno Schmidt. Ab 1969 Arbeit für das Fernsehen, Untertitel, Magazin-Beiträge und Dokumentationen, u.a. 1972 mit Rudolf Körösi 18 BILDER MIT DER HAND. KAMERAMÄNNER DES DEUTSCHEN STUMMFILMS und DAS CABINET DES ERICH POMMER (1989, mit Ute T. Schneider), 1997 für ARTE die Serie DER KOMISCHE KINTOPP. FRÜHE DEUTSCHE KOMÖDIEN. Übersetzer von Woody Guthrie (»Die-ses Land ist mein Land«) und Kinky Friedman (u.a. »Greenwich Killing Time«). Herausgeber diverser Film-Lexika u.a. der deutschen Fassungen von James Monaco »Film verstehen« (5 Ausgaben, 1980-2009) und vor allem seit 1984 des Loseblattwerks »CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film. Mit Michael Töteberg Herausgeber von »Das Ufa-Buch« (1992) und »Douglas Sirk: Imitation of Life« (1997). Gründer und Vorstandsmitglied des Vereins CineGraph – Hamburgisches Centrum für Film-forschung e.V.
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Heike KlapdorFilmhistorikerin, Berlin
Dr. phil., forscht und schreibt über die Themen Exil, Frauen, Film und Literatur. Grundlagenforschung zum Filmexil mit der Erschließung des Nachlasses Paul Kohner Agency, Deutsche Kinemathek, Berlin, Autorin des Dokumentarfilms PAUL KOHNER – DER AGENT VOM SUNSET BOULEVARD (1995), Herausgeberin der Zeitschrift FilmExil (1992–2005), der Briefedition »›Ich bin ein unheilbarer Europäer‹. Briefe aus dem Exil« (2007) und der Filmtextedition »In der Ferne das Glück. Geschichten für Hollywood« (2013, mit Wolfgang Jacobsen); 2016 Auszeichnung mit dem Reinhold Schünzel-Preis für langjährige Ver-dienste um das deutsche Filmerbe; zahlreiche Vorträge, Aufsätze und Publikationen, zuletzt erschie-nen die grundlegende Studie »Mit anderen Augen. Exil und Film« (2021) und die erste deutschspra-chige Monographie über den Film MENSCHEN AM SONNTAG (2025).
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Jonathan CieslaKulturwissenschaflter, Bremen
geb. 2000 in Köln. Seit 2021 Studium der Kulturwissenschaften/Philosophie in Lüne-burg und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung. Arbeitet zur Literatur-,Film- und Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Lebt in Bremen.
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Michael TötebergFilmhistoriker, Hamburg
geb. 1951, arbeitete 1978-2018 als Filmagent zunächst im Verlag der Autoren, später im Rowohlt Verlag und war dort verantwortlich für Literaturverfilmungen wie »Babylon Berlin« und »Tschick«. Zuletzt erschien »Abgedreht. Literatur auf der Leinwand« (Hg., mit Vera Hildenbrandt, 2023); »Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann. Eine Biografie« (mit Alexandra Vasa. 2025). Im Herbst 2026 erscheint bei der edition text+kritik »Das Kino der Autoren«.

