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Stundenplan
22.11.2024
- MYTHEN UND NATIONALISMUS
- 9:30 - 10:20
- »Die Geburt der eidgenössischen Filmpropaganda aus dem Geiste des Schweizer Sonderfalls«
- Seit der Niederlage Frankreichs 1940 befand sich die Schweiz von den Achsenmächten umschlossen. Die Schweizer Politik reagierte mit Ratlosigkeit auf die Frage, wie weit sich der Kleinstaat nun an das angriffslüsterne Dritte Reich anpassen sollte. Ratlos auch deshalb, weil ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung Eigenständigkeit und Neutralität nicht aufgeben wollte. Die breite Identifikation mit eidgenössischen Werten war auch das Resultat der «Geistigen Landesverteidigung» (GL), mittels derer Schweizer:innen seit etwa 1933 auf die Bewahrung des «Sonderfalls Schweiz» vor totalitärer Anmaßung eingestimmt worden waren. Als sich zeigte, dass die Nazis die verdeckte Übernahme der kleinen Schweizer Filmproduktion betrieben, gehörte die (private) Herstellung von Dialekt-Spielfilmen ebenfalls ins Heimatschutz-Programm. So auch LANDAMMANN STAUFFACHER, den Praesens-Film Ende 1941 in die Kinos brachte. Zentraler Charakter ist der von Heinrich Gretler gespielte titelgebende Gemeindevorstand, der 1315 die zerstrittenen Eidgenossen einigte und zum Sieg über ein adeliges Ritterheer führte. Obwohl LANDAMMANN STAUFFACHER die Maßgaben von Zensur und GL mustergültig erfüllte, wurde die Realisation von einflussreichen Gruppen massiv behindert. Ihr Widerstand entzündete sich insbesondere daran, dass sich die populäre Praesens-Film AG – schweizweit die einzige zur Produktion identitätsstiftender Spielfilme fähige Gesellschaft – in den Händen von aus rechter Sicht «heimatlosen Juden, Emigranten und linken Schweizern» befand. Die Produktionsgeschichte von LANDAMMANN STAUFFACHER erzählt so, wie es Praesens-Chef Lazar Wechsler gelang, mit einer hauptsächlich aus Emigranten bestehenden Crew einen als eidgenössischen Durchhaltefilm getarnten antifaschistischen Abwehrfilm zu realisieren. Aber auch, wie es der «heimatlose Haufen» schaffte, den Schweizer Sonderfall-Mythos so zu prägen, dass er bis heute – insbesondere bei der Abwehr der EU – weiterwirkt.
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Sprecher:in
Benedikt Eppenberger
- 10:30 - 11:20
- Armbrust in Hakenkreuzform: Nationalsozialistische audiovisuelle Mythen (neu) inszeniert
- Die Zentralschweizer Landschaft des Vierwaldstättersees, die weithin als historischer Kern der Schweiz gilt, war sowohl Kulisse als auch Gegenstand zahlreicher und vielfältiger kultureller Produktionen. Die audiovisuelle Inszenierung der Region, beginnend mit dem Aufstieg des kommerziellen Tonfilms in den 1930er bis hin zu heutigen Social-Media-Kurzfilmen, ist vor ihrem historischen Hintergrund von besonderer Bedeutung. Nicht nur die Naturschönheiten der Region, sondern auch die sie umwebenden Mythen flossen in die audiovisuelle Darstellung ein, die sowohl national als auch international zum Inbegriff des Landes werden würde. Wurde die Region zunächst im Rahmen einheimischer Schweizer Produktionen dargestellt, die die Region als Schauplatz der couleur locale wählten, so entstanden vor allem in den 1930er Jahren vermehrt Koproduktionen -zunächst im benachbarten Ausland, später weltweit. Eine der erfolgreichsten deutsch-schweizerischen Co-Produktionen entstanden unter der Schirmherrschaft von Ralph Scotoni (1901–1955), der in dieser Zeit als Leiter der Terra-Film tätig war. Während ihre filmische Rezeption eben als Propagandamittel Beachtung fand, besteht ein erhebliches Desiderat im Umfang des Materials, das für die Erstellung ihrer Filmmusik verwendet wurde. Der Beitrag untersucht die audiovisuellen Bestandteile der Terra-Koproduktionen bei der Zeichnung des ideologisierten Bildes der (deutschsprachigen) Schweiz als integraler Bestandteil der Staatspropaganda während der Zeit des „Dritten Reiches“.
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Sprecher:in
Timur Sijaric
- 11:30 - 12:20
- Die Bilderwerkstatt des Arnold Fanck: Die Schweizer Berge als Hauptdarsteller für die Kameramänner der Freiburger Kameraschule
- Wie kommen die Schweizer Berge in die Bilder der Freiburger Kameraschule? Der Geologe Arnold Fanck möchte als begeisterter Alpinist seine Leidenschaft als Fotoamateur mit anderen teilen. Als er den Film entdeckt, rekrutiert er als Helfer begeisterte Skisportler, die er für die Kinematografie anlernt. Die „Freiburger Kameraschule“ entsteht, eine idealisierte Institution ohne Lehrer. Grundlage bildet eine Produktionsform, bei der kleine Kamerateams eigenverantwortlich drehen und Fanck gelingt es, diese für immer extremere Aufnahmesituationen zu begeistern. Aber wer ist für die Bildästhetik verantwortlich? An ausgewählten Beispielen soll untersucht werden, welche bildgestalterischen Standards und Regeln es gab und wie damit umgegangen wurde.
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Sprecher:in
Axel Block
- 12:20 - 13:30
- Mittagspause
- DEFA und die Schweiz
- 13:30 - 14:20
- »Vom Kleinen Muck zum Draufgänger Biene.« Die DEFA beim Locarno Film Festival
- Von ihrem ersten Beitrag im Jahre 1954 mit DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK bis zu ihrem letzten Film LEB WOHL, JOSEPH im Jahr 1990 präsentierte die DEFA insgesamt siebzehn Filme auf dem Filmfestival in Locarno. Im Gegensatz zu anderen westlichen Filmfestivals, die aufgrund des diplomatischen Drucks der Bundesregierung immer wieder zögerten, die DDR (oder, als diplomatische Umgehung, die DEFA) einzuladen, wurden ab 1954 auf dem Schweizer Festival DEFA-Produktionen als DDR-Filme gezeigt. In diesem Vortrag wird die Teilnahme der DDR am Locarno-Filmfestival in zwei Schritten untersucht. Zunächst werden anhand von Archivdokumenten die politischen Debatten um die Teilnahme der DDR an Locarno untersucht und wie das Festival seine Rolle während des Kalten Krieges wahrgenommen hat. Zweitens werden die Filme untersucht, die für ein Festival ausgewählt wurden, welches sich vor allem durch seine Ausrichtung auf junge Regisseure auszeichnete. Die DEFA-Filme waren zwar weit mehr als nur ein Schaufenster des Staates, aber die Auswahl der Filme, die im Ausland gezeigt werden sollten, kann dennoch als Projektion eines kulturellen und auch eines sozialen und historischen Selbstverständnisses betrachtet werden. In diesem Sinne wird auch die Bedeutung der ausgewählten Filme diskutiert, und was diese wiederum über das von der DEFA beim Schweizer Festival projizierte Image aussagen.
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Sprecher:in
Elizabeth Ward
- 14:30 - 15:00
- Abschlussdiskussion
Datum
- 23. Nov. 2024
Uhrzeit
Ort
Veranstalter
cinefest - Internationales Festival des deutschen Film-Erbes
Website
http://www.cinefest.deSprecher
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Axel BlockKameramann
Kameramann seit 1974 (u.a. ca. 30 Kinofilme, 50 Fernsehfilme, div. Auszeichnungen). 1983/84 zusammen mit Arthur Ahrweiler Realisation der Dokumentation MEINE VERANTWORTUNG IST DIE FOTOGRAFIE (Interviews mit Ka-meramännern über ihre Arbeit im deutschen Film zwischen 1920 und 1950). 1995 Veranstalter eines internationalen Symposiums über CINEMASCOPE UND SUPER-35. Hochschullehrer an div. Hochschulen (u.a. von 1997–2015 Lehrstuhl für Angewandte Bildästhetik, HFF München – Aufbau der Abteilung VII/Kamera). 2020 Autor von »Die Kameraaugen des Fritz Lang« (edition text+kritik, Willy Haas-Preis 2021). 2022 zus. mit Gabriele Mehling, Michael Hild, Bernd Schwamm »Schimanski machen« (edition text+kritik).
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Benedikt EppenbergerHistoriker
Benedikt Eppenberger (*1964) ist Historiker. Als Redaktor beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) ist er unter anderem mit der Restauration von Schweizer Filmklassikern beschäftigt. Als Buchautor hat er verschiedentlich zur Schweizer Filmgeschichte publiziert. So unter anderem «Mädchen, Machos und Moneten – die unglaubliche Geschichte des Schweizer Filmunternehmers Erwin C. Dietrich» (Verlag Scharfe Stiefel, 2006); in «Nazisploitation – The Nazi Image in Low-Brow Cinema and Culture» den Artikel: «Nazisploitation Made in Switzerland» (Bloomsbury, 2011) sowie zuletzt «Heidi, Hellebarden und Hollywood – Die Praesens-Film Story» (NZZ libro, 2023).
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Elizabeth WardMarie Skłodowska-Curie Actions Fellow, Europa-Universität Viadrana, Frankfurt/Oder
Dr. Elizabeth Ward ist Marie Skłodowska-Curie Actions Fellow am Lehrstuhl für Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Ihr Forschungsprojekt „Projecting the GDR on Screen. Film Festivals and Cultural Diplomacy in Cold War Germany“ untersucht wie die DDR Filmfestivals im Westen als Art der kulturellen Diplomatie einsetzte. Es wird analysieren, wie Regierungen, künstlerische Einrichtungen und Einzelpersonen die Möglichkeiten der Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig als Trittbrett zum Ausbau des kulturellen Status und der politischen Schlagkraft der DDR im Westen wahrnahmen. Zu ihren Veröffentlichungen zählen “East German Film and the Holocaust” (Berghahn Books 2021) und “Entertaining German Culture: Contemporary Transnational Television and Film” (hg. mit Stephan Ehrig und Benjamin Schaper, Berghahn Books 2023).
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Timur SijaricSenior Research Associate, Luzern
Timur Sijaric studierte Saxofon, Komposition und Musikwissenschaft in Wien. Seit 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität für Musik und darstellende Kunst der Stadt Wien und seit 2022 Senior Research Associate an der Hochschule Luzern – Musik. Seine Forschungsinteressen umfassen Audiovisualität und Medialität von Musik sowie Musik in den neuen Medien.